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VfB Stuttgart – FC: Angekommen

Als Christian Gentner um 17:17 Uhr den Ball aus drei Metern über das Tor von Timo Horn hob und damit die letzte Torchance des VfB Stuttgart recht eindrucksvoll vergab, konnte ich langsam an einen Auswärtssieg glauben. Die 92 Minuten davor? Vergiss es. Jaja, ich weiß, seit 1996 nicht mehr in Sound-City verloren, Stöger knows, die Abwehr steht, stimmt ja alles aber und das dürfen wir nie vergessen: Leute, wir reden hier über den 1.FC Köln! Immer wenn wir dachten “Alles wird gut”, nimmt er eigentlich nur Anlauf, sammelt Kraft, um uns in den Arsch zu treten. Darum war eine 2:0 Halbzeitführung für mich in etwa soviel wert wie die Zusage Frau Merkels dass sie sich um mein Wohlergehen interessiert. Nicht viel. Aber wisst Ihr was am Ende das richtig tolle an dem Spiel war? Dass der effzeh einfach mal keine Scheiße gebaut hat. Dass alles, wirklich alles, was wir uns von dem Spiel erhofft und erwartet hatten umgesetzt wurde und ich selten so zufrieden war nach einem Sieg.

Womit hatte ich gerechnet? Mit einer defensiven Grundordnung und langen Bällen.

Worauf habe ich gehofft? Auf eine stabile defensive Grundordnung und lange Bälle die ab und an ankommen und für Gefahr sorgen.

Was haben wir bekommen? Eine extrem starke Defensive, clevere Verschiebungen, schnelles Umschaltspiel, teilweise grandioses gegen-den-Ball agieren (ich will das Wort “Pressing” vermeiden, das hört sich so offensiv an, das war es nämlich nicht immer) und (halb)konsequentes Ausnutzen der Stuttgarter Fehler. Dazu schenkt uns der effzeh drei Punkte, die unserem Aufenthalt in der ersten Liga eine Überschrift geben: Angekommen.

Im Gegensatz zum HSV-Spiel stellte Stöger nur einmal um, nahm Matuschyk aus der Mannschaft um mit Vogt der Doppelsechs noch ein wenig mehr Sicherheit zu geben. Sonst blieb alles bei alten, Ujah machte den lonesome Cowboy, Brecko und Hector stießen aber bei Bedarf immer mit nach vorne, unterstützten damit Risse, Halfar und Osako und damit konnte der 1.FC Köln im Ballbesitz mit drei, vier schnellen Pässen viele Meter Raum überbrücken und damit Überzahl schaffen, die die Stuttgarter eigentlich über das gesamte Spiel nicht adäquat verteidigen konnten. Das war richtig, richtig gut, sah nach einem wohldurchdachten Matchplan aus und wurde mit fast sklavischer Disziplin der Kölner Spieler umgesetzt. Grandios.

In der Rückwärtsbewegung ließ Lehmann mehr als einmal die “Sechs” “Sechs” sein und stellte sich eher auf eine Beckenbauersche “Fünf”, engte damit die Mitte ein, versperrte den direkten Weg durch eben diese und zwang die Stuttgarter über die Außen zu gehen, bzw. den Angriff neu aufzubauen. Es hatte den Anschein, dass man den VfB in eine ganz bestimmte Ecke drängen wollte, von der man die wenigste Gefahr annahm. Maxim und Sakai rannten die linke Seite rauf, bekamen es mit Brecko zu tun, der von Maroh exzellent unterstützt wurde, standen an der Eckfahne und wussten nicht mehr weiter. Einzige Möglichkeit: Zurück, Neuaufbau, Zeit für die effzeh-Abwehr alle Räume dicht zu machen. Feierabend.

Das resultiert dann in so abartigen Statistiken wie 69% Ballbesitz für den VfB bei 701 zu 312 Pässen. Siebenhunderteins! Sieben-Hundert-Eins Pässe! Und was ist dabei rumgekommen? Nix. Ich habe gestern irgendwo in einem Forum (jaja, ich weiß…) gelesen, dass der VfB über die gesamte Spielzeit die bessere Mannschaft war und der effzeh das Spiel nur zerstört hätte und halt zwei Mal Glück beim Abschluss hatte. Ich möchte vehement widersprechen. Der 1.FC Köln war über das gesamte Spiel die reifere, cleverere, diszipliniertere und taktisch klügere Mannschaft. Der Sieg war ganz eindeutig verdient und hätte mit mehr Kaltschnäuzigkeit auch locker zwei Tore höher ausfallen können. Der VfB hatte einen Freistoß und Timo Horn musste bis zur 90. Minuten genau zwei Bälle halten, die ihn aber vor keine Probleme stellten. Chancen waren das für die Stuttgarter eher nicht.

Und mit dem letzten Satz gibt es dann auch einen Übergang zum vielleicht einzigen Kritikpunkt, den man, wenn man denn danach suchen möchte, beim effzeh ansprechen kann: Das Spiel in die Spitze war teilweise ungenau, die Laufwege von Ujah sind immer noch… nun ja… anstrengend, die Koordination hat nicht in jeder Sekunde gestimmt und Risse und auch Halfar agierten streckenweise sehr hektisch, als wollten sie auf biegen und brechen alles sofort erreichen. Da war der Kopf dann manchmal schneller als die Beine. Außerdem waren natürlich zwei, drei Konter recht blöd ausgespielt. Osako, Ujah und Halfar hatten allesamt noch dicke Chancen auf eine frühzeitige Entscheidung, die mir und meinem Puls recht gut gefallen hätte. Naja, sei es drum, das ist jammern ohne Grund.

Als Aufsteiger war das einfach von Anfang bis Ende eine sehr erwachsene Leistung der Mannschaft. Die Raumaufteilung war wunderbar, ab der 60., 65. Minute verschob Stöger das Team zu einem sehr kompakten 4-5-1, zwang dadurch den VfB zu Quer- und Rückpässen und schon kommen wir wieder bei dem Matchplan von oben an.

Eine individuelle Leistung möchte ich noch erwähnen: Jonas Hector spielte einen derart souveränen, abgeklärten Linksverteidiger, da ging mir das Herz auf. Der Junge wird die Liga aufmischen, da bin ich sicher. Martin Harnik sah kein Land gegen ihn, verlor in der Vorwärtsbewegung mehr als einmal den Ball durch wunderbare Tacklings und überragendes Stellungsspiel. Ich sagte es vor der Saison und bleibe dabei: Hector wird der nächste Nationalspieler. Vielleicht nicht dieses Jahr aber -wenn er gesund bleibt- ist das nur noch eine Frage der Zeit, glaubt mir.

Ist das zuviel Lob? Bin ich zu euphorisch? Ja, es war erst der zweite Spieltag, ja es war ein recht schwacher VfB Stuttgart der einfallslos und uninspiriert agierte und taktisch keine Antwort auf das Spiel des effzeh hatte. Ja, es war kein Hurra-Fußball, den werden wir dieses Jahr auch nicht zu sehen bekommen (was verdammt gut so ist) und, ja, die Saison ist lang, es werden Rückschläge kommen. Aber im hier und jetzt kann ich nicht anders als einfach komplett zufrieden zu sein. 4 Punkte, 0 Gegentore, ein klar erkennbarer Plan, eine mannschaftliche Geschlossenheit und die Erkenntnis dass man mitspielen kann in der Bundesliga. Das man punkten kann, dass man siegen kann. Der 1.FC Köln ist angekommen.

Nachspiel: Gestern gab es in Düsseldorf den #tpdus und nach langer Zeit war ich auch mal wieder dabei und hatte wahnsinnig viel Spaß auch wenn die Tankstellensituation in Düsseldorf anscheinend so erschreckend karg ist, dass es nicht mal Suppenhühner zu kaufen gibt. Davon ab traf ich Stefan Keller wieder und nötigte ihm sofort einen Text ab, weil mir die Südtribüne doch sehr fehlt. Zum Glück hatte Stefan auch schon ein oder zwei Bierchen getrunken und wehrte sich nicht mehr mit letzter Kraft. Er sagt zu und hielt Wort und deshalb gibt es jetzt hier Stefans sehr persönlichen Blick auf den neuen Effzeh und warum schweigen manchmal glücklich machen kann:

Glücklich sein…

Eigentlich möchte ich gar nicht über den 1. FC Köln schreiben. Dummerweise habe ich mich Samstagabend dazu bequatschen lassen, es doch zu tun. Und versprochen ist versprochen. Da nützt es nichts, sich damit herauszureden, dass bei dem Versprechen Alkohol im Spiel war, viel Alkohol. Ich bin ja nicht Milivoje Novakovic.

Über fünf Jahre habe ich mein Blog „Die Welt – aus Sicht der Südtribüne“ dem FC gewidmet. Von 2005 bis 2010. So ungefähr. Eine Zeit, in der man, schrieb man über den FC, beim Tippen mit dem Kopf auf die Tischplatte schlug, weil der Verein so unfasslich dämlich war und die gleichen Fehler immer und immer wieder machte. Es war die Ära Overaths, Meiers, Daums. Die dunkelsten Jahre in ohnehin finsteren Zeiten.

Eigentlich sollte es mir also ein Vergnügen sein, jetzt über den FC zu schreiben. Die Mannschaft ist gerade aufgestiegen, hat zwei sehr manierliche Auftritte in der 1. Liga hingelegt, 4 Punkte gegen direkte Konkurrenten um den Abstieg eingefahren, in drei Pflichtspielen der Saison kein Tor kassiert. Dabei war nicht einmal Glück im Spiel. Wie der Aufstieg waren auch die ersten Saisonspiele das Ergebnis guter Arbeit, abgeklärten Auftretens und solider Vorbereitung.

Überhaupt: Arbeit. Da sind Leute beim FC, die glauben, dass um erfolgreich zu sein, über Arbeit nicht nur geredet werden muss, sondern dass auch einer da sein muss, der sie macht. Und dass es hilft, wenn man bei der Arbeit einen Plan hat.

Wie im Spiel eben auch. Schon gegen den HSV war zu erkennen, dass die Mannschaft eine Idee davon hatte, was sie auf dem Platz tun wollte und dass sie – sieht man von einer gewissen Zaghaftigkeit im Angriff ab – in der Lage ist, diesen Plan auch umzusetzen. Gegen Stuttgart klappte das noch besser, weil – wir drehen uns jetzt im Kreis – in der Trainingswoche u.a. am Torabschluss gearbeitet wurde. Von Zaghaftigkeit war weder bei Osakos 1:0 noch bei Ujahs wohlüberlegten Knallerschuss irgendetwas zu spüren.

Eigentlich also müsste es toll sein, jetzt über den FC zu schreiben.

Nur möchte ich das trotzdem nicht. Ich habe mich an diesem Verein jahrelang schreibend aufgerieben.

Analysiert, getobt, geflucht, geschimpft.

Verzweifelt. Wütend. Frustriert.

Jetzt, wo ich meinen Frieden mit ihm gefunden habe, möchte ich diese Zeit nur still genießen. Auf meinen Platz im Stadion sitzen, erleben, wie die Mannschaft sich entwickelt, ein bisschen guten Fußball sehen, Freude daran haben und glücklich sein.

 

Vielen Dank, Stefan, es sei Dir gegönnt!

Eine letzte Sache noch. Durch die bescheuerte Länderspielpause pausiert der Bockcast. Nächste Woche geht es weiter. Bis dahin, wie immer:

Come on effzeh!

Haut rein, schreibt mir was!