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Wir helfen?

Lieber 1.FC Köln:

Seit gestern geht es auf Twitter rund. Die BILD hat zum nächsten Bundesliga-Spieltag eine Aktion mit der DFL und Hermes ins Leben gerufen. “Wir helfen”. Es geht um die Flüchtlingssituation, um das mittlerweile bekannte #refugeeswelcome. Die BILD darf ihr “Wir helfen” Logo anstatt des Hermes-Aufnähers auf die Ärmel der 36 Erst- und Zweitliga-Trikots pappen lassen.

Screenshot: bild.de

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Kann man gut finden.

Die Sache ist die: Die BILD ist ein Organ der Masse. Sie weht im Wind, wie dieser halt gerade weht. Sie ist bequem. Sie macht es sich einfach. Immer. Die BILD ist der pressegewordene Opportunismus. Wer einmal “Post von Wagner” gelesen hat, der weiß, dass Provokation des Bildungsbürgertums bewusst herbeigeführt wird, dass “der kleine Mann”, als dessen Anwalt sich BILD stehts sieht, sich wiederfindet in seinem Weltbild der bigotten “Oberschicht”. Das ist klug gemacht und hat ihnen bisher auch nicht zum Nachteil gereicht.

Jetzt also die Aktion “Wir helfen” für Flüchtlinge. Was soll daran kontrovers sein? Nun, zum einen, wie gesagt, es ist eine Aktion der BILD, deren Logo auf dem Aufnäher ist. Zum anderen kam gestern eine ganz besondere Dynamik in die Angelegenheit als der FC Sankt Pauli mitteilte, dass er als Verein diese Aktion nicht mitgehen wird. Kai Diekmann wurde daraufhin offensiv pampig:

Das ist natürlich geschickt gemacht, denn Diekmann ist ja kein Dummkopf, der nicht weiß, dass Sankt Pauli eine linke Gesamtkultur hat, die sich schon immer für Minderheiten engagiert hat und in Deutschland sicher der führende Verein was Integration von Minderheiten ganz gleich welcher Art ist. Er provoziert mit offener Hose und lachendem Gesicht, weil er ganz genau weiß was passieren wird: Hunderte Retweets und Antworten auf das Thema. Eine Diskussion, die ohne den Verzicht von St. Pauli so nicht stattgefunden hätte, weil es wahrscheinlich erst am Spieltag vom Großteil der Fans bemerkt worden wäre, weil der Stadionsprecher was durchsagt. Und da interessiert es eh schon niemanden mehr, weil man im Stadion ist und der Rasen in Sichtweite ist. Da ist dann Tunnelblick.

Und so freut sich Herr Diekmann über all die Aufmerksamkeit, die sein Projekt bekommt. Es gibt eben keine schlechte PR. Fans aller Vereine, aufgeschreckt durch die vermeintliche Ignoranz des Chefredakteurs, schrieben “ihren” Club an und baten ebenfalls auf Verzicht bei dieser Aktion mitzumachen, da man ja alleine durch diesen Tweet erkennen kann, dass es der BILD und Diekmann nicht um die Sache, sondern um Aufmerksamkeit für die BILD geht. Und muss man sich als Bundesligaverein wirklich so instrumentalisieren lassen? Muss man dem Diktat der BILD bedingungslos nachgeben?

Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich kann nicht sagen, wie groß wirklich die Einflußnahme der BILD bei der DFL mittlerweile ist. Wie sehr sich Abhängigkeits-Szenarien gebildet haben, die nicht mal eben ignoriert werden können. Wie sehr ein Verein wie der 1.FC Köln die guten Beziehungen zum Boulevard benötigt. Ich kann es nur einschätzen aber nicht abschließend bewerten.

Die Sache ist die: Man macht sich mit etwas gemein, das man nicht ursächlich iniziert hat und bekommt die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir machen das jetzt, Schnauze halten, wer nicht mitmacht kann was erleben:

Screenshot: bild.de

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Und damit gibt man ganz einfach seine Souveränität auf. Man handelt auf Zuruf eines Massenblatts, man akzeptiert den goldenen Käfig, den die DFL geschaffen hat und verliert eine Menge. Natürlich hat der DFB und die DFL schon vorher solche Aktionen durchgeführt. Mein Freund ist Ausländer, Gib Rassismus keine Chance, das alles kennen wir. Das waren aber Aktionen, die der Verband aus der Taufe gehoben hat und kein schmieriges Blättchen, dessen erste und ureigenste Aufgabe es ist (und das ist nichts verwerfliches) Umsatz zu machen und Auflage zu schaffen. Geld zu verdienen. Da gibt es doch nichts zu interpretieren. Warum wohl prangt da groß BILD auf diesem Ding? Weil das gute Menschen sind? Ja, genau.

Und so ist es meiner Meinung nach ein großes Übel, dass sich der Verein so medial inszenieren lässt, wie es aktuell geschieht. Man könnte als Bundesligist andere Sachen machen. Nen Euro pro verkaufter Eintrittskarte abgeben. Irgendwelche Sammel-Dings-Charity-Auktionen, es gibt tausend Möglichkeiten. Aber man muss sich nicht aus purer Bequemlichkeit zum Knecht der BILD-Zeitung machen lassen.

Kann man zwar.

Muss man aber nicht, lieber 1.FC Köln.

Screenshot: bild.de

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Hier wurde eine große Chance verpasst für Glaubwürdigkeit, für die vielbeschworene kölsche Willkommenskultur zu werden. Hier wird nur nach Vorgabe gehandelt und das passt mir gar nicht. Eine Stellungnahme des Vereins gibt es nur per Tweets, eine Mittelung auf der Homepage fehlt. Man lernt halt.

Wir müssen letztlich damit leben, dass der “Lizenznehmer der Bundesliga”, die BILD-Zeitung, diese Aktion als gelungenen Werbecoup feiern darf. Was sollen wir groß machen? Ich erwarte ein paar Spruchbänder, ein paar Pfiffe und eine Berichterstattung am nächsten Tag, die diese in ein völlig falsche Licht stellt, so dass der BILD-Leser seine Vorurteile wieder bestätigt bekommt.

Auch da, lieber effzeh bist Du in der Verantwortung.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass ihr noch mal drüber nachdenkt.

Herzlichst, und für immer:

Come on effzeh!

Update:
Union Berlin hat am Nachmittag mitgeteilt, dass sie an der Aktion der BILD-Zeitung ebenfalls nicht teilnehmen.

2 comments to Wir helfen?

Haut rein, schreibt mir was!