Heute veröffentlichte Frank Lußem im Kicker ein bemerkenswertes Stück Sport-Journalismus. Es geht vordergründig um den Kampf um den 1.FC Köln, um die anstehende Mitgliederversammlung, um Querelen innerhalb der Gremien. Vordergründig. Wenn man sich das ganze Teil durchliest, ist es aber einzig und alleine eine Kampfrede für Werner Spinner, für den aktuellen Vorstand und gegen die Kritiker ebenjenes Vorstands. Haupt-Angriffsziel sind selbstverständlich Stefan Müller-Römer und Dr. Carsten Wettich, die beiden prominentesten Kritiker der Vereinsführung im aktuellen Mitgliederrat. Wie passend, dass am Mittwochabend der wichtigste Programmpunkt auf der Mitgliederversammlung des 1.FC Köln die Wahl eines neuen Mitgliederrats ist. Ein Schelm wer an Zufälle glaubt.
Natürlich kann der Text hier nicht vollständig zitiert werden aber auf ein paar Passagen möchte ich schon ganz gerne eingehen.
Es fängt mit der Pullover-Hoodie-Sache an. Lußem beschreibt, dass im letzten Jahr 14 Hoodies dem Mitgliederrat zur Verfügung gestellt wurden (“Originalverpackt und in passender Größe“). Ja, gut, warum auch nicht? Der 1.FC Köln hat dieses Geschenk ja ausgelobt, wir haben uns alle das Ding geholt. Ein Stück mehr für die Kleiderspende. Schon damals waren große Teil der aktiven FC-Anhänger gegen dieses Geschenk. Die Gründe dafür sind bekannt. Es gab auch im Nachhinein große Proteste. Dass der 1.FC Köln diese Proteste ignoriert und wieder ein Geschenk auf der diesjährigen Mitgliederversammlung ausgibt, ist sein gutes Recht. Ebenso ist es aber auch das Recht eines jeden Mitglieds Anträge zu stellen und wenn ein Antrag lautet, dass zukünftig Geschenke für Erscheinen ausgeschlossen werden sollen, dann hat die Mitgliederversammlung darüber abzustimmen. Die Argumentation, dass sowohl Müller-Römer als auch Wettich ihre Wahl in Gefahr sehen, da es wieder zu einer hohen Teilnehmerzahl kommen kann, und nur deshalb gegen die Geschenkausgabe sind, ist extrem verkürzt und tendenziös.
1. Zum Mitgliederversammlungen des 1.FC Köln kamen in Vor-Hoodie-Zeiten 1.500 – 2.000 Menschen. Das ist der Normalzustand.
2. Erst durch die Einflussnahme des Vorstands, der letztes Jahr (zu Recht) die große Sorge hatte, dass bei einem normalen Besuch der Antrag von 100%FC-Dein Verein erfolgreich sein würde, kam es zur Explosion der Teilnehmer an der Mitgliedsversammlung. Der Antrag erreicht über 30% Zustimmung. Man kann sich ausmalen, wie viele Prozentpunkte dies bei normalem Besuch gewesen wären.
3. Lußem verwendet die Wortwahl “ungeklärtes Verhältnis zu Ultra-Gruppierungen” als Stilmittel der Diskredition. Dem Leser wird signalisiert: Das sind Leute, die mit den Ultras gemeinsame Sache machen. Die sind gefährlich. Natürlich kann man Ultras ablehnen. Natürlich hat dieses Thema mehr als eine Facette aber dem (vielleicht) unbedarften Leser und Mitglied des 1.FC Köln zu suggerieren, dass mit Müller-Römer und Wettich die Ultras mehr Einfluss im Verein bekommen, ist unredlich. Dass beide Kandidaten bei “vielen Mitgliedern Sympathien verspielt haben” wird als Fakt verwendet. Mich interessiert wie Lußem darauf kommt. Facebook?
Lußem schreibt weiter wörtlich: “Ein Antrag auf Satzungsänderung spricht gar von der satzungswidrigen Verwendung von Vereinsvermögen. Starker Tobak bei einem Einkaufspreis von nur 11 Euro netto pro Pullover“. Auch hier gilt: Ein Mitglied unseres Vereins hat das Recht einen Antrag zu stellen. Dieser Antrag wird in der Mitgliederversammlung zur Wahl gestellt und dann entweder abgelehnt oder angenommen. Es ist kein “starker Tobak“, es ist ein Antrag, der die Satzung des 1.FC Köln betrifft. In dieser (§3 Abs. 1) heißt es: “Die Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.” Der Antrag zielt darauf ab den Paragraphen um den Satz „Es ist unzulässig, Mitgliedern für oder im Zusammenhang mit der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten vermögenswerte (Sach-)Zuwendungen oder andere vermögenswerte Leistungen in Aussicht zu stellen und/oder zu gewähren.“ zu ergänzen. Wieder verkürzt Lußem bewusst und nimmt eine Einschätzung (starker Tobak) vor. Auch hier gilt: Nicht der Kicker, nicht Frank Lußem, sondern die Mitglieder des 1.FC Köln stimmen über den Antrag ab. Ob es dem Vorstand gefällt oder nicht. Dass Lußem den Einkaufspreis des Pullovers kennt, sagt natürlich auch schon einiges aus, dass dieser (geringe) Betrag dann aber verwendet wird, um den Antrag in ein schlechtes Licht zu stellen, ihn seiner Leserschaft als überflüssig darzustellen ist unerhört. Also ob es einen Rolle spielen würde, ob der Pullover 11 Euro der 111 Euro im Einkauf kostet. Das ist billigste Meinungsmache.
Im weiteren Verlauf des Textes wird keine Gelegenheit ausgelassen um klar zu stellen, wen sich Frank Lußem als “Gewinner” aus dem Ringen um den Verein wünscht. Während der Mitgliederrat zerpflückt wird (Skepsis von Müller-Römer ggü Terodde, innere Zerissenheit, Klima der Angst innerhalb des Mitgliederrats usw usf), wird der Vorstand in strahlendem Licht gezeichnet: Veh ist ein gelassener Befrieder, Spinner zwar manchmal impulsiv aber immer authentisch, der Vorstand schrieb sich mit dem offenen Brief Frust von der Seele und so geht es immer weiter. Nicht ein kritisches Wort zu dem ungeheuerlichen Auftreten des Vorstand seinen Mitgliedern gegenüber. Kein Wort über das Totalversagen der letzten Saison. Es ist fast schon zu offensichtlich, was Lußem hier vorhat. Das ist nicht mal gut kaschiert. Die Kritik am Vorstand bestände zumeist aus “Befindlichkeiten“.
– Die geleakte Mail, in der Müller-Römer seine Skepsis gegenüber einer Terodde-Verpflichtung kundtat, ist aus Erstliga-Zeiten. Ich kann diese Skepsis nachvollziehen. Terodde, so wertvoll er im Moment für uns in der zweiten Liga ist, hat bisher nicht nachgewiesen, dass er dauerhaft eine Verstärkung in der ersten Liga sein kann. Lußem umschreibt dann die Enthaltung von Müller-Römer mit den Worten “[hat nicht] für Terodde gestimmt”. Ja. Aber auch nicht dagegen. Dies wird nicht erwähnt. Der Mitgliedsrat hat die Verpflichtung von Terodde nicht torpediert. Es ist ein Nicht-Thema, was aber natürlich hoch-emotional gelesen werden kann, wenn man sich etwas oberflächlicher mit dem 1.FC Köln beschäftigt. Es soll suggerieren: Seht her, der wollte Terodde nicht und jetzt guckt mal, wer den FC nach oben schießt.
– Dass sich Teile des Mitgliederrates aus der internen WhatsApp-Gruppe verabschiedet haben, dass Michael Trippel dies auch öffentlich bekannt gibt (durch eben jenen Artikel) und dennoch Internas aus diesem Mitgliederrats-Chat im Text zitiert werden, lässt erahnen, wer da mit wem gesprochen hat. Michael Trippel, der übrigens weder bei effzeh.com, noch bei 100%FC – Dein Verein eine Antwort auf Fragen zu seiner Kandidatur als Mitgliedsrat-Kandidat nötig hatte, sondern diese nur Fans1991, also dem internen Fan-Projekt gab, fungiert hier als Kronzeuge der Anklage für den Beweis, dass das Klima im “gremiumsinternen Chat von Missstimmung geprägt” ist. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
– Dass Lußem die Unverschämtheit des offenen Briefs als “Frust von der Seele” schreiben des Vorstands bezeichnet, ist zwar eine nette Umschreibung, verschweigt aber wieder, dass es im gesamten Verein für großes Unverständnis sorgte, dass der Vorstand öffentlich Vereinsmitglieder namentlich an den Pranger stellte. Dieser Brief war kein “Frust von der Seele” schreiben, es war ein taktisches Mittel. Ein unwürdiges noch dazu. Hier wird dies von Lußem in einem Halbsatz als berechtigte Aktion abgehandelt. Dass der Mitgliederrat dem Schreiben nicht zustimmte, wird als Faulheit (“über die Karnevalstage“) und Desinteresse (weil man ja ultranah ist?) dargestellt. Auch dies ist wieder völlig am Kern der Sache vorbei geschrieben. Das Statement des Mitgliederrates kann man, wie Lußem richtig schreibt bei effzeh.com nachlesen. Vielleicht hat er das sogar. Zitiert hat er es jedenfalls nicht. Dort steht drin: “Der Mitgliederrat war in die Erstellung des Ultra-Papiers nicht eingebunden. Vielmehr wurde uns der Entwurf ohne jede Vorankündigung erstmals am Karnevalsfreitag per E-Mail zur Kenntnisgebracht, verbunden mit einer am Rosenmontag um 12.00 Uhr ablaufenden Frist „zur Zustimmung“. Wegen der Bedeutung und Sensibilität des Themas hat der Mitgliederrat noch am gleichen Tag den Vorstand gebeten, mit der Veröffentlichung bis nach der Mitgliederratssitzung am 19.2.18 zu warten, damit wir uns zu dem Papier im Gremium eine Meinung bilden können. Hierzu war der Vorstand eingeladen, um mit uns gemeinsam zu diskutieren. Leider ist der Vorstand unserer Bitte nicht gefolgt.” Bitte lest Euch den Rest durch, so wie Lußem das in seinen Text schreibt, ist es nicht korrekt.
Der gesamte Text ist einseitig und unausgewogen. Der Text ist nicht als Kommentar gekennzeichnet, er findet im normalen redaktionellen Umfeld des Kickers seinen Platz. Er macht von Aufmachung und Aufbau den Eindruck einer investigativen Reportage. Diesem Eindruck kann der Text nicht gerecht werden. Die Kritiker kommen nicht zu Wort, die Vorgänge werden bewusst falsch oder verkürzt dargestellt, die vielen kontroversen Entscheidungen des aktuellen Vorstands werden nicht beleuchtet. Frank Lußem gelingt hier ein Geniestreich. Er hat unter dem Schutz des Ansehens des Kickers eine Kampfschrift für den Vorstand des 1.FC Köln veröffentlichen können, ohne Gegenargumente auch nur recherchieren zu müssen. Für ihn persönlich wird dieser Text den gewünschten Erfolg bringen. Ob der Sport-Journalismus auch durch ihn an Glaubwürdigkeit gewinnt, das, zumindest da, kann man hinterfragen.
Leute, am Mittwoch wird der Mitgliederrat gewählt, der im nächsten Jahr den Vorstand vorschlagen soll. Egal wie Ihr darüber denkt, egal wen Ihr wählen wollt: IHR wählt. Nicht der Kicker, nicht Frank Lußem, nicht Werner Spinner. Nur IHR seid verantwortlich für die Wahlen am Mittwoch. Ich weiß wen ich wähle und wie ich bei den Anträgen abstimmen werde aber das muss für Euch ja nicht gelten. Vielleicht seid Ihr zufrieden mit der Arbeit des Vorstands? Vielleicht habt Ihr auch nächstes Jahr Bock auf Geschenke? Dann ist das eben so. Das ist das Wesen unseres Vereins, dass es unterschiedliche Meinungen geben kann und dass WIR, die Mitglieder des Vereins immer noch die Macht haben mit unserer Stimme Dinge zu ändern oder ihnen eben auch zuzustimmen. Je nach Gusto. Diese Möglichkeit ist im Verein unser höchstes Gut und unsere höchste Verantwortung. Ich sage jetzt nicht: Ihr müsst das und das tun, den und den wählen. Ihr müsst nicht meiner Meinung sein, Ihr wisst sicher selbst am besten, was Ihr wollt. Ich bitte nur um eins: Informiert Euch über den Kicker hinaus, denn das, was Frank Lußem da geschrieben hat, ist alles, nur nicht objektiv.
Axel…Danke! Wenn ich Dir am Mittwoch in der Arena über den Weg laufe, gebe ich einen aus! Grüße!
Sehr starker Text! Danke!
manueller trackback
Sehr gut geschrieben und die Headline “Bestellt-Geliefert” hätte man nicht besser wählen können!
Danke!
Touché
Auf den Punkt! Danke!
Leider lesen hier vermutlich “nur” die mit, die sich ohnehin kritisch mit derartigem ‘Journalismus’ auseinander setzen.
Ich habe mittlerweile den gegenständlichen Artikel gelesen.
Und um ehrlich zu sein: Ich finde, Axel, Deine Ausführungen sind nicht nur plausibel und überzeugend, ich finde sie sogar noch zurückhaltend.
Nur ein Beispiel: Die seltsame Stimmungsmache gegenüber dem “zu einer Schattenpräsidentschaft mutierten” Kontrollwahn des Mitgliederrats. Ich wette, 99 % der Kicker-Leser ist völlig unbekannt, dass der Mitgliederrat kein bloßer Wahlausschuss ist sondern in etwa das, was woanders Aufsichtsrat heißt. Dass also die Kontrolle der Geschäftsführung des Vorstandes gerade die Aufgabe des Mitgliederrates ist (§ 24 Abs. 1 der Satzung). Und dass sein Vorsitzender und sein Stellvertreter über den Gemeinsamen Ausschuss in die KGaA hineinregieren sollen (§ 25, bei ständiger Meinungsgleichheit mit dem Vorstand übrigens eine überflüssige Aufgabe). Vielleicht gab es wirklich einen “Kleinkrieg” mit dem Vorstand über die Frage, wie weit diese (teilweise unbestimmt formulierten) Regelungen reichen, was weiß ich. Aber in dem Artikel liest es sich, als würden sie darüber streiten, ob es überhaupt eine Zuständigkeit für die Profiabteilung gibt. Und sogar 99,99 % der Kicker-Leser dürfte unbekannt sein, dass der Mitgliederrat die explizite Aufgabe hat, den Vorstand in Bezug auf das Verhältnis zu den Mitgliedern zu beraten (§ 24 Abs. 2 b). Was im Umkehrschluss heißt, der Vorstand muss sich auch beraten lassen. Einen Offenen Brief an die Mitglieder zum kurzfristigen Abnicken vorzulegen dürfte diese Pflicht kaum erfüllen. Ansonsten habe ich, falls das hier jemand interessiert, u.a. bereits hier etwas Meinung dazu abgelegt.
Ich muss Dir also zustimmen: Das ist durchsichtige und sehr unsauber vorgenommene Meinungsmache. Was mir – wie gesagt – wehtut. Ich hätte es lieber gehabt, Du hättest Unrecht. Denn ich mag Frank Lußem. Ich muss zwar zugeben, ich lese sehr wenig im Kicker und nehme ihn eigentlich nur über seinen Twitter-Account war. Aber dort gehört er für mich zu den angenehmsten Personen. Eigentlich.
Immerhin zwei Dinge hat er aber geschafft:
Er hat in mir trotzdem die Überzeugung geweckt, auch Eure Opposition agiert manchmal fragwürdig. Was aber in den bei Euch anstehenden Fragen wenig bis nichts zur Sache tut.
Und er hat meine Überzeugung bestärkt, Euer eigentliches Problem ist Eure völlig kaputte Satzung. Die Euch Mitgliedern die von Dir im letzten Absatz angesprochene Macht eben nur sehr begrenzt zubilligt.
Axel du bist klasse. Ich hoffe dieser Blog wird von sovielen Mitgliedern wie möglich gelesen.
Der schlechteste “journalistische” Text den ich in der letzten Zeit gelesen haben. Der Autor unterstellte einem anderen Subjektivität und schafft es diese auch in jedem Satz. Eine Selbstreflexion ist ein schwieriges Unterfangen für manche Leute.
@Maik: Ach schön, dass mal jemand mit konstruktiver Kritik auftaucht. Wie ich schon sagte: Ich finde die “Ausführungen sind (…) plausibel und überzeugend”.
Aber ich bin auch Außenstehender. Du ja anscheinend nicht. Darum hilf mir doch bitte mal, ein rundes Bild zu gewinnen:
Bei welchen Ausführungen genau bist Du der Meinung, diese seien von Axels Subjektivität geprägt? Und nach welchen objektiven Tatsachen würdest Du zu welchem anderen Urteil gelangen?
Und bei welchen dieser von Dir als subjektiv empfundenen Äußerungen bist Du warum genau der Ansicht, Axel sei sich seiner fehlenden Objektivität nicht bewusst?
Frank Lußem hat sicher völlig ohne Absicht vergessen zu erwähnen, dass er der Ghostwriter für Harald Schumachers “Einwurf” war und mit Schumacher befreundet ist. Wie kann man einen derart befangenen Journalisten einen solchen Artikel schreiben lassen?
Bam, Volltreffer!!!
Das es Lußem nicht selbst anrüchig findet erst als Ghostwriter für den Vizepräsidenten Schumacher aufzutreten und ihn dann weiter als Gegenstand seiner Tätigkeit anzusehen, mit dem er sich kritisch auseinander setzen soll wird nur dadurch getoppt das es in der Kicker Redaktion offenbar keinen gibt der solchen Texten dann Einhalt gebietet. Das ist alles so offensichtlich, man fragt sich schon wie es möglich ist.
In dem Kontext: http://sz.de/1.4157756
[…] der Opposition aus Sicht des Vorstands, formuliert von Frank Lußem (war hier bereits Thema nebst Entgegnung von Axel […]
Mehr gibt es dazu wohl nicht zu sagen…
Mein Blog hat automatischen Trackback? Das wusste ich gar nicht.