Werdet zur Legende!
Kämpfen bis zum Ende!
Für die dritte Liga,
Fortuna!
Mittwoch, 28.05.2014. In Köln herrscht Ausnahmezustand. Auf dem Heumarkt ist Weinmarkt und auf dem Alter Markt denkt sich die Stadt Köln, wenn schon mal ein Typ aus Köln ins All geschossen wird, dann machen wir da halt ein Event draus und übertragen per Public Viewing. Mit Major Tom und allem drum und dran. Die Viktoria spielt Mittelrheinpokalfinale in Bonn und gewinnt auch noch und die U19 des effzeh demütigt Bayer Leverkusen im eigenen Stadion. Kann es besser kommen?
Oh ja!
Im Süden der Stadt ist Herzstillstandalarm. Die Fortuna, die kleine, hübsche, zahnbespangte Schwester des 1.FC Köln spielt um die Rückkehr auf die mittelgroße Fußballbühne. Es ist eine Schande, dass es dazu kommen muss, dass die Fortuna -als Meister der Regionalliga West- an dieser unwürdigen Veranstaltung teilnehmen muss, dass sie möglicherweise um den Aufstieg gebracht wird. Wie drei andere Teilnehmer an den Aufstiegsspielen ebenso. Jetzt würde es mir für keine Zweitvertretung eines Bundesligisten leid tun, wenn sie nicht aufsteigen aber die Aussage muss immer gleich bleiben:
Meister müssen aufsteigen!
Punkt. Aus. Ende. Dann steigen halt fünf Mannschaften aus der 3. Liga ab. Na und? Oder der DFB macht endlich wieder drei Regionalligen. Interessiert mich nicht.
Meister müssen aufsteigen!
Sorry. Ich schweife ab. Wo war ich? Achja, Mittwoch. Köln. Südstadt. Fortuna.
Angespannt und nicht wirklich optimistisch ist wohl die richtige Annäherung an die Gefühlslage der Fortunafans. Man muss es dieses Jahr einfach schaffen. Zuviel steht auf dem Spiel. Es geht vielleicht sogar um den Gesamtverein. Ob das ein Grund für die recht biestige Preisgestaltung der Fortuna war? Der Tribünenpreis wurde kurz mal auf 30,- € verdoppelt, eine Karte auf der Gegengerade kostete 15,- €. Das ist sportlich. Aber letztlich egal, denn alle Karten wurden verkauft, das Stadion war voll und dementsprechend nervig waren die Rahmenbedingungen aber dazu später mehr.
Für mich ist der Besuch im Südstadion ja immer so ein Ausflug in eine bizarre Parallelwelt. Hier hat die große, weite Fußballwelt ein kleines gallisches Dorf vergessen. Und das hat seinen ganz eigenen Charme. Und wo ich bei Charme und Parallelwelt bin: Vor dem Spiel traf ich mich mit dem Wochenendrebellen und dessen Vater.
Es ist also doch kein Autobot. Nee, den gibt es wirklich.
JJ war ein bisschen schüchtern aber brav und nach kurzer Fahrt im schönsten und besten und zuverlässigsten ÖPNV der Welt durfte ich den Beiden die kleine Welt der Fortuna näher bringen. Einmal ums Stadion gelaufen, ab Richtung Vereinsheim, das schon sehr gut besucht war. Dort wartete auch schon Jan, der Karten besorgt hatte. Jan, der alte Punkrocker, im blauen Besa-Plast-Trikot. Old school bis zum Stilverbrechen aber was soll’s.
Schnell zwei Fanta für die beiden Fußballreisenden und zwei Kölsch für die Kölner besorgt und schwupps, war die Stunde vor dem Spiel schon fast vorbei. Papsi kaufte dann dem Sohnemann noch sein erstes Trikot. Eine Spende für die Jugendabteilung der Fortuna. Ich höre die #hoolinetten jetzt schon bis Brühl wehklagen. Das erste Trikot von Jay-Jay kommt aus Köln! Fan-tas-tisch! (Den Gunesch zähle ich nicht mit, der will nur schön Wetter machen…)
Aber dann ging’s los. Im Minutentakt wurde es immer voller.
Hey! Na? Alles klar? Heute Sieg! Alter! Wie geht’s Dir?
Ihr kennt das ja. Alles und jeden, den man jemals bei Fortuna gesehen hat war vor Ort und nach und nach trafen dann auch meine Freunde ein. Leider war die Catering-Leistung eher semi aber dazu auch später noch ein paar Worte.
Kurz bevor wir ins Stadion marschierten kam auch noch ein bekannter Kölner Bayernfan mit Frau vorbei aber aus Scham und Verzweiflung sage ich jetzt den Namen nicht. Sorry, Alex, musste verstehen, ich habe auch ein richtiges Leben und wenn die Leute nachher mitbekommen, dass ich mich zivil mit Bayernfans unterhalten kann, was sollen die denken? Mein Ruf! Anscheinend waren auch noch andere bekannte Bayern-Twitteristas im Stadion aber persönlich vorstellig wurde bei mir niemand mehr. Was ich nur zu gut verstehe.
So, dann gehen wir mal die paar Schritte Richtung Stadion. Auf dem Weg dorthin die erste Hiobsbotschaft: Im Stadion gibt es nur halben Alkohol. Wer denkt sich denn sowas aus? So kann ich nicht arbeiten. Fürchterlich. Naja. Wir haben immerhin gut zehn Meter diskutiert und dann hatte der Erste schon einen Sechserhalter Kölsch gekauft. Wäre das Thema auch erledigt. Kaum standen wir an der ersten Bierbude gab’s Ärger am Eingang. Angeführt von dem Drecksidioten, der überall wo es Ärger gibt in der ersten Reihe steht und dessen Fresse wohl in ganz Köln bekannt ist, stürmten etwa 10-15 Mann den Eingang, weil ein paar Sittarder (mit denen die Eagles bzw. Red Eagles befreundet sind) ohne Karte waren. Und was macht man da? Genau. Rein. Alle Mann. Drupp. Laufen. Stürmen. Völlig egal, wer da wo steht. Naja, das ganze hat 30 Sekunden gedauert und so richtig drum gekümmert hat sich auch niemand. Polizei habe ich bis auf zwei gelangweilte Beamte, die in der Halbzeit über die Ränge flanierten, nicht gesehen. Keinen. Nichts. Holländer also drin. Und das waren Gestalten, du meine Güte.
[Update]: In den Kommentaren weist Chris von den Eagles darauf hin, dass die Sittarder alle mit Karten ausgestattet waren. Nun gut, in den Kurven hört man ja immer eine Menge, ich hielt das aber für durchaus glaubwürdig. Keine Ahnung warum der Sturm stattfand, kann natürlich auch sein, dass “heimische Fans” ohne Karten unterwegs waren.
Das Spiel selbst ist für mich nur schwer nachzuerzählen, weil ich nicht wirklich viel gesehen habe. Mir war der Weg die Stufen runter zu mühsam also stand ich auf der letzten Ebene und erhaschte immer nur Ausschnitte vom Spielgeschehen. Aber das was ich sah lässt mich voller Überzeugung sagen, dass Fortuna den Sieg verdient hat. Kurz nach Beginn schon die erste Riesenchance als frei vor dem Tor ein Fieldgoal erzielt wurde. Aydogmus trifft den Pfosten und ein 2-auf-1-Konter wird ganz schlampig gespielt. Eigentlich müssen das schon drei Tore sein.
In der zweiten Halbzeit kommt die Fortuna nur noch selten in Tornähe, zu gut stehen die Bayern im Mittelfeld. Die U23 macht die Räume eng, verteidigt hoch und lässt wenig Platz zum spielen. Die Fortuna versucht es über Außen, aber die meisten Anspiele sind eher unbrauchbar. So werden Torchancen zur Mangelware. Mitte der Halbzeit hat die Fortuna auch noch großes Glück als ein Abwehrspieler im eigenen Strafraum über den Ball tritt und somit dem Bayernangreifer eine Riesenchance ermöglicht. Das war fies knapp.
In der 87. Minute brechen dann aber bei uns im Block alle Dämme. Unübersichtliche Situation nach Ecke(?), Kopfbälle, Gestochere, Tor. 1:0 Fortuna! Was ein Jubel! Werdet zur Legende!
22 Minuten Nachspielzeit später pfeift das Mann in Gelb ab und die Fortuna hat eine wunderbare Ausgangssituation für Sonntag. Kein Gegentor kassiert und auch noch gewonnen. Das kann es sein. Das kann klappen! Das muss klappen! Ach Mensch, wär’ das schön.
Zu den Bayern nur soviel: Hoch unsympathischer Auftritt der Mannschaft. Die fallen wie die Fliegen, winden sich, schreien das Feld zusammen, wollen Karten provozieren, treten aber gleichzeitig alles um. Besonders hervorgetan hat sich der Fünfer, der in alles reingrätschte aber beim Laufduell mit angelegtem Arm abhob als wäre er gerade mit Anlauf in den Arsch getreten worden.
Es gab eine Szene in der zweiten Halbzeit als Aydogmus gegen den letzten Mann zum Kopfball hoch stieg, es offensichtlich keine Berührung gab, der Ball über beide hinwegsegelte, Aydogmus aber gedankenschneller war und frei durch gewesen wäre, aber der Bayernspieler sich etwa 2 Sekunden später schreiend hinfallen lässt und der Schiedsrichter wegen Foul abpfeift. Katastrophe.
Ebenfalls ganz, ganz schlimm war der Bayern-Trainer, der massiv Einfluss auf die Schiedrichter nahm. Jede Entscheidung gegen die Bayern wurde ausufernd mit dem vierten Offiziellen besprochen, wild gestikulierend rannte er kreuz und quer neben seiner Coaching-Zone rum, einmal schrie er sogar den Schiedsrichter an dass dieser (nach einer Grätsche von hinten) nu ja die Karte stecken lassen sollte. Ganz, ganz schlimm. Wir waren ja ca. 10 Meter direkt hinter ihm und konnten das alles mit anhören.
Am Abend wurde dann noch erzählt dass Sammer, die Kackbratze, in der PK gelacht haben soll und den kryptischen Hinweis auf evtl. Urlaubsrückholaktionen diverser Profis angedeutet haben soll. Falls die Bayern am Sonntag mit Profis antreten, wäre das in meinen Augen der letzte, endgültige Grund diesen Verein nicht mal mehr mit Verachtung zu strafen. Hass ist ja ein hartes Wort und ich hasse ungern aber mir fällt zu Bayern nichts anderes ein.
Und doch gibt es auch etwas positives zu den Bayern zu sagen: Der Support der Gästekurve war gut. Dort wurde 90 Minuten Rambazamba gemacht auch wenn es in der zweiten Halbzeit in den üblichen Ultras-Singsang überging aber da ist man von Bayern schlimmeres gewohnt. Nee, das ging schon voll und ganz in Ordnung. Es wird wohl daran liegen, dass 80% aktive Fanszene im Block war, nehme ich an. Einzig die Aktion einen Bengalo auf die Tartanbahn zu schmeißen, während ca. 5 Meter rechts und links daneben Balljungen standen, war übler Dreck. Das macht man nicht, ganz egal wie man zu Pyrotechnik steht. Die Bayernfans reagieren aber wohl recht schnell, wie der Club Nr. 12 twittert:
(57.) (0:0) Die Selbstreinigung funktioniert. Nachdem ein Bayernfan eine Bengale aus die Tartanbahn warf, wird er von den eigenen Fans
— Club Nr. 12 (@clubnr12) May 28, 2014
[rausgeschmissen]. Joa. Okay so.
Nach dem Spiel fallen die Steine zentnerweise von den Herzen der Fortunafans. Der Vater meines Patenkindes ist kaum mehr einzufangen, andere liegen sich in den Armen und jubeln und jubeln und jubeln. Das kann klappen! Das muss klappen!
Wären die Begleitumstände nur ein klein wenig professioneller, es wäre so schön. Das Stadion ist alt und marode, die Toiletten sind ein schlechter Witz, die Schankstationen überlastet und wenn ich Mitte der zweiten Halbzeit nicht mal mehr Servietten zur Bockwurst reichen kann, dann läuft irgendwas ganz gewaltig schief.
Bei der Rückkehr ins Vereinsheim (mittlerweile waren auch Saskia und Stefan zu uns gestoßen) dann das nächste Bild des Grauens: Ca. 500 Menschen standen bei einer Zapfstation für Bier an. Wartezeiten wie im Hochsommer im Phantasialand. Konnte ja auch niemand mit rechnen, dass da was los ist, ne? Also so ein Mist. Wir entschieden uns dann recht zügig zum Aufbruch, weil es schlicht keinen Sinn gemacht hätte da doof in der Gegend rum zu stehen. War das ätzend. Wer noch Bons haben möchte, ich hab noch ein paar…
In der Kneipe wurde wir nach einem Bier mit der großartigen Ausrede dass der Kellnerin beim “abstuhlen” ein Tisch auf den Fuß gefallen sei, rausgeschmissen also ging es weiter in die nächste Kaschemme, die uns bis in die frühen Morgenstunden mit Musik, Kölsch, Schnaps und guter Laune versorgte.
Ja, Jakob, wir haben auch ein wenig gewürfelt. Das Spiel heißt “schocken” und die komischen Dinge in der Mitte, sind die Strafringe, die Du für eine verlorene Runde kassierst 🙂
Und nun? Was bleibt?
Ein schöner Nachmittag, ein verdienter Sieg und zittrige Finger, wenn ich an Sonntag denke. Ich kann leider in München nicht dabei sein, hoffe aber immer noch darauf, dass es vielleicht zu irgendeiner Übertragung kommt.
So oder so drücke ich der Fortuna alle Daumen. Sie hat es verdient aufzusteigen.
Das kann klappen! Das muss klappen!
Und von München ist es ja dann auch nur ein Katzensprung nach Mailand…
Netter und interessant geschriebener Bericht, ich muss Dich aber leider in der Hinsicht enttäuschen das die Jungs aus Sittard ALLE ordnungsgemäß und wie es sich gehört mit Karten ausgestattet waren!
Gruß
Eagles-Chris
Hi Chris! Und warum dann der Sturm?
[…] sehr objektive Spielberichte zum Hinspiel können Sie auch hier lesen: Der kölsch-objektive Bericht. Der bayrisch-objektive […]