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Europapokal

So langsam setzt das Verstehen ein. Es ist jetzt drei Tage her seit der 1.FC Köln 2:0 gegen Mainz gewann und zum ersten Mal seit 25 Jahren den Einzug in einen europäischen Wettbewerb festmachen konnte. Am Samstag war es unwirklich. Es war eine pure Explosion der Freude. Wie sagte es Nick Hornby damals so wunderbar:

I fell in love with football as I was later to fall in love with women: suddenly, inexplicably, uncritically, giving no thought to the pain or disruption it would bring with it.

Wir verliebten uns zuerst in den Fußball und dann in einen Verein (obwohl ich mir bei mir da nicht ganz sicher sein kann, weil der effzeh schon der Auslöser war Fußball überhaupt wahrzunehmen. Siehe hierzu den Text, den ich damals JJ geschrieben habe), wir vergaßen über die Jahre warum und weshalb wir diese Obsession, diese Besessenheit in uns tragen. Sie wurde einfach ein Teil von uns. Wir akzeptierten den Fakt, dass wir uns von allen Scheiß-Dingen, die man machen kann ein besonders desaströses Hobby ausgesucht hatten: Wir hatten unser Herz an einen Fußballverein verloren und keine Chance es zurück zu bekommen.

Auf unserem Fan-Konto gab es bisher nur Einzahlungen zu verzeichnen. Über Jahrzehnte im immer gleichen Takt: Abstieg, Aufstieg, Blamage, Abstieg, Blamage, Aufstieg, Blamage, Zypern, Abstieg. Es ging in einem fort und als vor fünf Jahren der Verein am Boden lag, als wir fassungslos vor den Ruinen unseres sozialen Lebens standen, als wir uns in den Arm nahmen und ein Bier tranken, weil es ja sonst nichts zu tun gab, da wurde uns klar, dass es fast schon egal war. Dass es eben dazugehört, dass wir uns damit abzufinden haben. Nächstes Jahr geht es dann eben wieder gegen wasweißichdennwerausderdrittenligaaufsteigt und am Ende werden wir wahrscheinlich wieder über die Ringe toben und von Europa singen und von Nie mehr zweiter Liga und so weiter und so fort. Und ein Jahr später stehen wir wieder da und verzweifeln. Es war in Stein gemeißelt und eben von einer höheren Macht so entschieden worden. Wir lachten bitter und bestellten noch ein Bier. Scheiß drauf, es nützt ja nichts.

All diese endlosen Eskapaden waren am Samstag mit einem Schlag vergessen. Als um 17:22 Uhr die Stadt zu beben begann.

Wir verstanden noch nicht genau was da passiert ist. Wir konnten es noch nicht genau fassen, nicht abschätzen, was es aus uns machen würde. Als die Cubs im letzten Herbst zum ersten Mal seit 108 Jahren die World Series gewannen, saß ich morgens um 7 vor dem TV und hatte eine Träne im Auge. Einmal weil es so ein überragender Sieg war aber zu anderen auch, weil ich daran dachte, dass ich genau so etwas auch noch einmal in meinem Leben mit dem effzeh erleben möchte. Einmal noch auf die Straße gehen, wildfremden Menschen in die Arme fallen, mich völlig hingeben in den Jubel und die Erleichterung nicht ein gutes Stück meines bisherigen Lebens einem lost cause gewidmet zu haben. Ich wollte noch einmal sagen können: Siehste, Christoph, siehste, Stefan, das war es wert. All der Mist, den wir uns angetan haben über all die Jahre, der war es wert. Wir haben es uns verdient. Heute ist unsere Nacht.

Der Samstag war praktisch der -man verzeihe mir hier den Vergleich, ich habe darüber nachgedacht, mir fällt nichts passenderes ein- Orgasmus nach einer endlosen, fünfundzwanzigjährigen Fickerei. Man möge sich diese Erleichterung bildlich vorstellen.

Jetzt, mit etwas Abstand weicht die Erleichterung schleichend dem Glück, denn wir realisieren langsam, dass es kein Traum war. Oder ist. Dass wir wirklich ab Herbst nach Europa fahren werden, dass am 25. August in Monaco wirklich einen Kugel den mit “1.FC Köln” beschrifteten Zettel in sich tragen wird. Vielleicht werden wir es erst im September, wenn wir uns dann auch wirklich aufmachen, ganz begreifen können. Ich weiß es nicht, ich kann das noch nicht genau einschätzen, ob es eine Steigerung der aktuellen Gefühlswelt geben kann.

Auf jeden Fall ist es Zeit ‘Danke’ zu sagen.

Danke an Peter Stöger. Für die jahrelange akribische Arbeit. Für eine spielerische Entwicklung, die mit Ruhe, Verstand und Einfühlungsvermögen durchgeführt wurde. Für taktische Disziplin, die wir in Köln sonst nur aus dem Fernsehen kannten. Für die Empathie zu seiner Mannschaft aber auch zu unserer Stadt.

Danke an Manfred Schmid, Yann-Benjamin Kugel, Marcel Abanoz und Alexander Bade. Ein Cheftrainer alleine reicht nicht.

Danke an Jörg Schmadtke. Für kluge Entscheidungen und professionelles Management. Auch so etwas, was wir vor ihm immer in den Bereich der Mythen abgetan haben.

Danke an Alexander Wehrle. Für eine finanzielle Konsolidierung, die ich nicht für möglich gehalten habe. Seien wir ehrlich, die Bücher sahen nicht gut aus.

Danke an Toni Schumacher, Markus Ritterbach und Werner Spinner. Für einen skandallosen Vorstand. Das reicht ja manchmal schon.

Danke an
Timo Horn
Thomas Kessler
Sven Müller
Neven Subotic
Dominique Heintz
Frederik Sörensen
Dominic Maroh
Jonas Hector
Pawel Olkowski
Lukas Klünter
Konstantin Rausch
Marco Höger
Marcel Risse
Milos Jojic
Christian Clemens
Salih Özcan
Leonardo Bittencourt
Marcel Hartel
Matthias Lehmann
Artjoms Rudnevs
Simon Zoller
Yuya Osako
Sehrou Guirassy und
Anthony Modeste

Jungs, was IHR diese Saison geleistet habt, das kann Euch niemand mehr nehmen. Ihr könnt Euch das ganze Ausmaß dieses Triumphes vielleicht noch gar nicht vorstellen. Ihr habt uns glücklich gemacht. Ihr habt uns etwas gegeben, was wir Euch nie zurückzahlen können. Danke! Ihr seid die Geilsten!

Danke an Frank Almstedt, Kresimir Ban, Paul Schiedges, Dr. Paul Klein, Klaus Maierstein, Dr. Peter Schäferhoff, Thorsten Klopp und Maximilian Vollmar. Nichts geht ohne Menschen im Hintergrund. Man bekommt keinen Ruhm aber ohne sie kann gar nichts entstehen.

Danke an Bayer Leverkusen und Bayern München für ein professionelles Verhalten am letzten Spieltag.

Danke an die Fans des 1.FC Köln, die Müngersdorf Woche für Woche in ein Tollhaus verwandeln, die sich nie von ihrem Weg abbringen ließen und die nun endlich auch in Europa zeigen können, warum sie den Ruf haben etwas ganz besonderes zu sein.

Europapokal. Großartig.

13 comments to Europapokal

  • WalterGreen

    Würde die Liste gerne ergänzen: Danke Jörg Jakobs, danke Holger Stanislawski.

    PS:
    Danke für den Blog und die Begleitung in Wort und Ton!
    Bitte weiter so.

  • Michael

    Dem dank an Holger Stanislawski schließe ich mich an. Und das du dich mal bei Artjoms Rudnevs bedankst, hättest du dir sicher auch nicht gedacht 🙂

  • Flankengott

    Stimmt, es fühlt sich unwirklich an. Irgendwie so, als wenn Donald Trump US-Präsident wäre…

  • Burkhard

    Ich möchte noch Hennes danken…. keiner war während des Spiels so unaufgeregt! Hennes, Du geile Sau…äh, geiler Bock!

  • Burkhard

    Stöger auf der PK zu Modeste, der bedrohlich nah an Stöger, inmitten der Journalisten, saß:” Mach’ keinen Scheiß, ich mach’ Dich weiß…”- Das ist der FC, den wir so lieben!

  • Burkhard

    … und alles Gute Yannick Gerhardt für die Relegation

  • Konne

    Boah, ich fang schon wieder an zu weinen…

  • Anneliese

    … und Mergim Mavraj nicht zu vergessen. Sein Spiel und seine Gebete haben in der Hinrunde sehr geholfen!

    P.S.: auch Danke für die spürbar andere Zusammenfassung ;-))))

  • Für mich als erst 18-jährigen FC-Fan, das aber auch schon seit der frühesten Kindheit durch väterliche Prägung, ist ein absoluter Traum in Erfüllung gegangen mit dem ich niemals gerechnet hätte.
    Das einzig freudenbereitende am FC waren für mich lediglich die wenigen Sympathieträger wie Dirk Lottner, Matthias Scherz und natürlich Lukas Podolski, die Aufstiege (welche jedoch nicht den Charakter von wirklich purer Freude hatten).
    Fast 50% meiner FC-Zeit befanden wir uns in der 2. Liga und trotzdem war ich in dem Wissen, dass der FC einer der größten deutschen Vereine mit einer großen Fankultur und nicht minder großen Geschichte ist.
    Aber das war jetzt nicht mehr so und der Traum einmal wieder Anschluss zu fassen, wieder langfristiges 1. Liga-Mitglied zu werden und vielleicht sogar noch mal europäisch spielen oder… sogar einen Titel holen.
    Und als wir dann 2012 fast vor dem Ende stande und man schon fast resignierte hat die Entwicklung eine komplette Wendung genommen.
    Als wir unter Stöger 2 Jahre später aufgestiegen sind konnte ich das erste Mal schon fast stolz sein auf meinen FC.
    Das wir 3 Jahre später die Saison als 5. abschließen werden und direkt für die Euro League qualifiziert sein werden hätte ich damals nicht geglaubt und kann es auch heute noch immer nicht so richtig glauben.
    Der FC ist wieder in Europa, oder für mich: das erste Mal, und es ist ein Gefühl von Erlösung und unmittelbarer Freude, obwohl ich nur die Hälfte der Leidenszeit durchmachen musste.
    Danke an jeden, der irgendwie mit dem FC in Verbindung steht und ganz besonderen Dank an die, die schon immer zum FC standen, egal wie tief man in der Scheiße steckte.

    Und natürlich ein Dankeschön für die Saisonbegleitung durch Blog und Podcast, unglaublich unterhaltend von “erfahreneren” FC-Fans zu hören, die immer super offen und ehrlich über jegliche Themen rund um den FC reden und dabei, so scheint es mir, kein Blatt vor den Mund nehmen!

  • Chris

    Der Artikel nimmer mir die Worte aus dem Mund, 100%ige Zustimmung! Danke! Ich wurde Ende der Saison 92/92 beim Grottenkick Uerdingen – Köln (0:0) effzeh-soziallisiert. Es ist für mich das erste Mal Europa, das Ende der großen FC Ära hatte ich nicht wirklich mit bekommen.
    PS: Danke auch für einen tollen Blog und einen wunderbaren Podcast, dem ich regelmäßig mit Begeisterung folge!

Haut rein, schreibt mir was!