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FC – Gladbach: Katharsis

Als am 04. Oktober 2008 Milivoje Novakovič den ruhenden Ball an der Mauer vorbei (über die Mauer drüber?) links unten ins Netz haut, brechen alle Dämme! Ein Sieg des 1.FC Köln im Derby! Ich weiß noch wie heute, wie ich an diesem Tag gefeiert habe. Wir lagen uns in den Armen und tranken die ganze Nacht. Oder so ähnlich. Nein, ganz ehrlich: Ich weiß nicht mehr, wie ich die darauf folgende Nacht verbracht habe aber das kann ja auch ein gutes Zeichen sein. Aber das Tor hat sich bei mir eingebrannt. Ist da. Für alle Zeiten. Der Schuss. Der Einschlag. Sein Lauf zur Außenlinie. Der unbändige Jubel. Die hochgereckten Fäuste. Es ist alles ein Blur aber es ist da. Döp döp döp. Es ist ein Moment, der ein Fanleben zu einem Fanleben macht. Etwas banales, ein Tor deiner Lieblingsmannschaft. Tausende davon haben wir gesehen aber nur wenige machen für mich den Zauber, den der Fußball manchmal entfachen kann, einfacher bildlich. Es war nicht das schönste Tor der Welt, es war nicht das wichtigste Tor, dass der effzeh je geschossen hat aber es war die 88. Minute im Derby und für mich war die Welt eine Wolke. Ach Nova.

6 Jahre und 11 1/2 Monate später wiederholt sich das. Ich bin mir sehr sicher, dass ich die Flanke von Bittencourt und Tony Modestes Kopfball nicht vergessen werden. Ich werde es mir schönreden. Wie er, wie in einer von den Wachowskis erdachten Zeitlupe, einen Schritt vor seinen Bewacher macht, sich hochschraubt und den Ball unhaltbar (nicht mal der Reklamierarm hätte hier etwas ausrichten können) unten rechts einköpft. Dieser Moment, wenn das Tor Gewissheit wird, diese eine Zehntelsekunde, in der das Herz kurz aufhört zu arbeiten, bevor es sich mit wilden Schlägen zurückmeldet um die Energie für den Jubel zu liefern. Wenn ich Momente einfrieren könnte um sie bei Bedarf wiedererleben zu können, diese kurze Sequenz an mehr oder weniger zufälligen Abläufen stände in meiner Top 10. Genau wie Nova. Derbysieger effzeh!

Müssen wir uns da noch darüber unterhalten, dass es ein schlechtes Spiel war? Dass beide Trainer nach den Niederlagen der letzten Woche ihre Teams erst einmal und vor allem, sicher spielen ließen? Dass eine Art Initiative nur mit sehr großem Wohlwollen zu sehen war? Eigentlich nicht, oder? Ich sagte es die Woche schonmal: Fußball ist ein Ergebnisspiel und jeder der sagt er sähe lieber ein 5:4, (im schönsten, besten Spiel, was der Planet jemals ausrichten durfte) für den Gegner als ein dreckiges 1:0 für das eigene Team ist entweder geisteskrank oder kein Fan. Beides ist nicht verwerflich, versteht mich nicht falsch aber ich bin dann doch eher der, der am Ende auf das Ergebnis schaut und sich freut. Infantil, grenzenlos und kritiklos. Derbysieger effzeh!

Und so war dieses 1:0 nichts anderes als eine Reinigung. Es ist wie in der Kirche, wenn den Menschen, die daran glauben, die Sünden vergeben werden. Ich las schon mehrmals, dass diese sich danach berfreit, reingewaschen fühlen müssen, wenn sie dem Mann in der Kabine nebenan von ihren dreckigen Fantasien erzählen durften und dieser dann sagte: Komm, is jut, bete ein bisschen, dann kannste weitermachen. Beide Szenarien, die Reinigung durch einen Sieg deiner Mannschaft in einem Fußballspiel und die in der Kirche sind von grotesker Bedeutungslosigkeit im richtigen Leben. Das ist mir bewusst. Es ist irrational, es hat sogar durchaus psychopathische Züge, wenn man verrückt genug ist in seinem Leben soviel Platz für diesen Mumpitz zu lassen, als dass er diese Wirkung auf einen haben darf. Aber so ist es nunmal. Da kann man aber auch nicht mehr viel machen. This is my church. This is where I heal my hurts. Derbysieger effzeh!

Und ist mir dieser Derbysieg weniger wert, weil sich die Gladbacher aus Protest gegen die personalisierten Tickets dazu entschlossen haben zu Hause zu bleiben? Im Leben nicht. Oder weil die aktive Fanszene sich diesem Protest gegenüber solidarisch zeigte und keinen “organisierten Support” leistete? Nö. Wie an anderer Stelle schon beschrieben ist mir das egal. Ich habe die aktive Fanszene in Stuttgart erlebt und fand sie grandios aber hätte ich mich über den 3:1 Auftaktsieg auch nur einen Fitzel weniger gefreut, wenn sie nicht dagewesen wäre? Quatsch. Sie sind halt da, sie machen, was sie für angemessen halten. Sollen sie machen, verdirbt mir nicht die Stimmung. Der 1.FC Köln ist immer größer als Du und ich, vergesst das nicht, liebe Freunde.

Egal, nicht mein Thema. Sollen sie sich in den Foren die Köppe einschlagen, ich habe meine Meinung und damit ist es auch gut.

Ach, nochmal zurück zum Spiel: Ich höre und lese soviel von guten Ansätzen der Borussia, ja sogar von dominantem Auftreten war in einem Journalismus-Podcast die Rede. Sah ich nicht. Für mich war das eine komplett blutleere Veranstaltung, die die Borussia da auf den Rasen brachte. Mutlos, ohne Ideen, lasch. Wenn hier auch nur einer sagt, dass der Sieg des effzeh (wieder mal) nur glücklich oder gar unverdient gewesen sei, dann setzt es aber was. Der effzeh nutzt seine Chance und lässt genau gar nichts zu. Feierabend. Da kann die Rheinische Post rumheulen wie sie will.

Tja. Und dann war da noch Favre. Direkt nach dem Spiel, beim Interview machte er auf mich schon einen sehr angeschlagenen Eindruck.

Der Zeitpunkt, die Gesamtumstände sind natürlich reichlich bizarr aber auch darüber möchte ich mir keinen Kopf machen, denn es ist nicht meine Baustelle. Sagen wir es so: Wenn Peter Stöger beim ersten kleinen Wölkchen nach vier Jahren erfolgreichster Arbeit inkl. Teilnahme an der Champions League über Nacht die Brocken hinwerfen würde, wäre ich enttäuscht und sauer und beleidigt. Und damit haben wir das Thema auch vom Tisch.

Was bleibt ist Freude im Büro, 10 Punkte aus fünf Spielen und die Gewissheit, dass der 1.FC Köln auch nach vernichtenden Niederlagen zurück kommen kann. Im Derby. Gegen unsere alte Nemesis. Wem das die Seele nicht reinigt, dem kann ich auch nicht mehr helfen. Derbysieger effzeh!

Ein kurzer Hinweis noch in eigener Sache: Beim morgigen Spiel in Berlin werde ich mit Randall (Planet Effzeh) ein kleines Experiment wagen und das Spiel mit ihm zusammen live im Netz kommentieren. Einfach mal gucken was passiert. Natürlich in englisch, damit ich mich auch mehr als einmal blamieren kann. Wer also Lust hat sich das anzuhören, wie das ist wenn Randall aus Seattle und ich aus Brühl Kierberg ein Spiel des 1.FC Köln in Berlin “analysieren”, der ist herzlich eingeladen. Den entsprechenden link poste ich später hier. Los geht es am Dienstag um 20 Uhr.

Und jetzt: Guckt mal bei eurem Gladbacher Bürokollegen vorbei, der freut sich Euch zu sehen.

Derbysieger effzeh!

Geil!

Haut rein, schreibt mir was!