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Geschichten aus der Gruft

Hach. Länderspielpausenwoche. Endlich. Keine Bundesliga, kein erhöhter Puls, nur gleichgültiges Schulterzucken. Isses nicht schön? Nein, eigentlich nicht. Was interessiert mich die Nationalmannschaft außerhalb der Turniere? Gar nicht. Sie werden sich qualifizieren und damit ist dann auch gut. Aber, die Kohle muss fließen, der DFB, die UEFA, die FIFA, Coca-Cola, Hyundai, Mastercard, alle wollen sie nicht darben. Verständlicherweise. Hätte ich zu sagen und zu verdienen würde die Nationalmannschaft in der Sommer- und Winterpause alle drei Tage ein Spiel machen. Kleine Turniere in warmen Ländern. Bolivien, Ghana, Philippinen. So Zeugs halt. Gehts raus und spuilts Fußball.

Aber zackig. 10 Millionen RTL-Zuschauer wollen das Auto gewinnen und anrufen. Und Werbung gucken. Und Jens Lehmann hören. Oder die anderen Typen, deren Namen ich jetzt nicht kenne.

Vielleicht könnte man auch ein Casting-Format einbinden, wo einmal im Jahr ein talentierter Nachwuchsspieler ohne Vertrag für die ersten vier Ligen bei kleinen Wettbewerben einen Einsatz in einem Spiel #dermannschaft gewinnen kann. Das fände ich sehr charmant. Eine dreiköpfige Jury bestehend aus Harald Glööckler, Oliver Pocher und Schäfer Heinrich siebt Woche für Woche aus den hoffnungsfrohen juvenilen Kickern und Kickerinnen (natürlich!) aus und am Ende gewinnt jemand den Platz von Jerome Boateng in der Innenverteidigung gegen Chile. Nennt mir bitte eine Person die ernsthaft den Erfolg dieses Formats anzweifeln würde. Gut, man könnte noch den ein oder anderen Charity-Event mit einbauen aber das machen die klugen Leute von DFB und Endemol schon per Autostart.

Länderspielpausenwoche. Hach.

Aber eigentlich wollte ich auf was ganz anderes hinaus. Ich lass mich ja so schnell ablenken. Also nochmal ein Neustart. Diesmal sogar einigermaßen ernst gemeint:

Die Leute gehen zum Fussball, weil sie nicht wissen wie es ausgeht.” (Sepp Herberger)

Die Bundesliga ist tot.

Ist die Bundesliga tot?

Seit dem 5:1 der Bayern gegen Dortmund wird landauf, landab darüber diskutiert. Die Bayern gewinnen gegen Leverkusen 3:0, gegen Wolfsburg 5:1 und eben gegen Dortmund mit dem gleichen Ergebnis. Die Meisterschaft ist entschieden. Aber das war sie auch schon vor dem ersten Spieltag. Seien wir doch ehrlich. Die Hoffnung, dass der BVB eventuell den Bayern auf den Fersen bleiben könnte war doch nur der verzweifelte Versuch ein ganz klein wenig künstliche Spannung in die täglich zu füllenden Berichterstattungsleerplätze der Zeitungen zu hieven. An der Dominanz der Bayern geht kein Weg vorbei und die Gründe dafür sind so einfach wie nicht abänderbar: Die Marktmacht des FCB ist allüberragend. Das Geld, die Fernsehpräsenz, die devote Jubelhaltung mit der über sie berichtet wird. Es ist nicht mehr aufholbar. Weder von Dortmund, noch von irgendeinem Werksteam.

Ende. Finito. Tür kann abgeschlossen werden.

Der “Kampf um die Meisterschaft” findet auf absehbare Zeit nicht mehr statt, es sein denn irgendein investigativer Journalist findet heraus, dass seit Adidas, dem Kirch-Deal, dem Hoeness-Spektakel, den Machenschaften von KHR und den Geschäften von Herrn Beckenbauer und Herrn Guardiola mit Katar vielleicht doch ein ganz klein wenig zu Gunsten der Bayern verbucht wurde und sie deshalb zwangsabsteigen müssen. Da könnte eventuell mal ein Jahr lang ein anderer Verein die Liga gewinnen.

Das, liebe Freunde, wird aber leider nicht passieren.

1Die Bayern generieren so viel Geld durch den permanenten erfolgreichen Einsatz in der Champions League (KHR – Vorsitz G14 – Wahl in das Exekutivkomitee der UEFA….), dass hier eine Lücke ist, die du mit ein wenig Sekundenkleber nicht mehr kitten kannst. Die nebenstehende Grafik verdeutlicht das ganz gut. Zugegeben, bisher sind die Ausmaße der Bayern-Dominanz für mich nur sehr theoretischer Natur. Ich freue mich genauso über den Sieg des effzeh in Schalke, wie wenn der Kampf um den Titel spannend wäre, ganz einfach weil mein Verein mir immer noch (oder mittlerweile wieder) wahnsinnig viel Spaß macht. Weil ich mitfiebern kann, weil ich Fan bin. Wohlgemerkt, des 1.FC Köln, nicht der Bundesliga. Die aber nunmal das Portal ist auf dem sich alles abspielt und die einfach vor einem riesigen Problem steht.

Ein Problem, das übrigens auch die Bayern betrifft, denn als Vorreiter einer dezentralen Vermarktung, also dem Anschein, dass sich über einen Selbstverkauf noch mehr Kohle machen lässt, wollen sie die Schere ja noch weiter auseinander gehen lassen. Ich hoffe sehr, dass sie damit Erfolg haben werden. Aus zwei sehr unterschiedlichen Gründen:

Zum einen würde es mich aufrichtig interessieren, wie viele “Fans” des FCB es gibt, die bereit wären ein PayTV-Angebot, sagen wir mal der Telekom, zu kaufen anstatt sich auf die -dann reduzierte- Berichterstattung über die staatliche Grundversorgung zu informieren. Ich bin nicht so sicher, dass wir da groß unterschiedliche Zahlen zwischen den sieben, acht mitgliederstärksten Vereinen in der Bundesliga sehen werden. Wie auch immer, ich fände das sehr interessant.

Auf der anderen Seite wünsche ich mir natürlich, zum Wohle aller, dass die Bayern ihren Vorsprung so weit ausbauen, dass es auch für Rudi Völler ersichtlich wird (okay, das wird schwer) dass es keinen Sinn mehr hat. Dass man die Veranstaltung Bundesliga so nicht mehr weiterführen sollte, weil man sich sonst halt komplett der Lächerlichkeit preisgibt. Vermarktungserlöse, my ass.

Ein sehr kluger Mann sagte am Samstag zu mir, dass es sich wünschen würde, dass die Bayern alle Spiele nur noch mit 5-6:0 gewinnen würden, damit irgendjemand mal aufwacht. Natürlich hat er Recht, die Frage ist nur, wer schläft da aktuell? Sind die Bayern an allem schuld oder muss die Liga auch ein wenig auf sich selbst gucken und sagen: Okay, wir haben halt über die Jahre reichlich viel Scheisse gebaut? Ist das überhaupt zu klären? Und noch viel wichtiger: Lohnt es sich darüber nachzudenken? Die Dinge sind nun mal so wie sie sind. Und jetzt musste was machen.

Die Liga kann nur leben, wenn sie sich aufgibt, davon bin ich mittlerweile felsenfest überzeugt. Wenn es auch für die Bayern keinen Sinn mehr hat mitzuspielen, weil die eigenen Fans sich langweilen und das Interesse verlieren. Allein, es fehlen die Lösungen.

Die Diskussionen um Draft oder Salery Cap sind nicht zielführend, da Geld nicht das alleinige Problem ist. Es fängt ja schon bei der Medienpräsenz an, die -jedenfalls in meinen Augen- ein erheblicher Grund für die Abneigung des normalen Fußballfans Richtung München darstellt. Doppelpass: Erstmal Bayern. SKY90: Erstmal Bayern. Experten: Ehemalige Spieler / Trainer / Kaiser aus Bayern. Geht mir das alles auf die Eier. Kein Wunder, dass sich niemand mehr für diese Formate interessiert. Der effzeh spielt gegen Schalke. Lindemann freut sich erstmal auf die Bayern. Knaller. Da hilft dann auch keine Lockerung der Investoren-Klauseln. Dann steigt REWE halt mit 500 Millionen beim effzeh ein und Kühne mit 800 Millionen beim HSV, spielt doch keine Rolle, denn allein durch die Möglichkeiten der Selbstvermarktung bei den Bayern werden die besten Spieler immer dort hin gehen.

Isch reg misch schon widder uff.

Nein, ganz im Ernst: Eine Lösung sehe ich nicht. Ich kann mir nur vorstellen, dass es unter KHR in der UEFA vielleicht die Möglichkeit gibt die europäische Superliga voranzutreiben, einen Sammelplatz für das PayTV zu generieren, die Touristen aus Asien und dem nahen Osten zu bespaßen und damit Milliarden und Abermilliarden Kohle zu schöpfen. Von mir aus gerne. Wenn dann dieser Wettbewerb als geschlossene Veranstaltung dient und a la NFL mit einem Franchise-System aufgezogen wird. Fänd ich schon nicht schlecht. Diese Lösung hätte nur Gewinner, denn die Bayern könnten sich jede Woche im fairen sportlichen Zweikampf messen, vielleicht gäbe es auch wieder sowas wie Spannung in der Allianz Arena, weil es ja um was geht, die Bundesliga hätte einen -für die Zuschauer und Fans der verbleibenden Vereine- spannenden Wettberwerb, der vielleicht hinsichtlich Werks- und Werbeteams ein wenig reguliert werden muss und das Fernsehen kann sich auch anpassen. Ich sehe das völlig ohne Bitterkeit. Es macht halt alles keinen Sinn mehr.

Ist die Bundesliga also tot?

Joa, schon so ziemlich. Für mich gibt es als interessantes Thema eigentlich nur den effzeh, weil das halt mein Verein ist. Alles andere läuft so nebenbei. Vielleicht ist der HSV wieder mal für fünf Minuten lustig oder Martin Kind redet von Dingen, das kann auch mal interessant sein. Aber eigentlich ist das nur noch so ein Grundrauschen.

Auf das ich aber eigentlich immer noch nicht verzichten will, weil es mich einen erheblichen Teil meines bisherigen Lebens begleitet hat und stets ein Traum war. Ein einziger sich nicht erfüllender Traum. Und diesen Traum am Leben zu halten, das würde ich mir wünschen. Dass man irgendwann wieder abseits der Champions-League-Qualifikation und des Abstiegskampfs so etwas wie Vorfreude erleben kann. Auf die Saison. Auf die Endtabelle.

Aktuell ist das nicht so. Aktuell riecht es muffig.

10 comments to Geschichten aus der Gruft

  • ottokleff

    Leg ‘ne Liste aus zum unterschreiben und schick es dann an den Petitionsausschuß des deutschen Bundestages. Ich unterschreib schon mal,
    Otto

  • Moin,

    sehr gelungener Beitrag!
    ich glaube eben auch, dass selbst für Bayern Fans die Bundesliga nicht unspannend ist. Weil es sich eben um ihren Club handelt.

    Aber was ich merkwürdig finde: Haben sich denn alle damit abgefunden, dass sie nur Deutscher Meister werden können, wenn die Bayern mal stolpern?
    In 52 Saisons ist der FC Bayern 24 Mal Meister geworden. Es wird nach 53 das 25 mal passiert sein.

    Also jede zweite Saison. Jede zweite Saison. Das ist krass und mir fällt es halt jetzt erst auf, weil ich eher von draußen drauf schaue.

  • Du schreibst es doch selbst: Du bist Fan des effzeh, nicht der Bundesliga.
    So what? Lebbe gehd weidda, es gibt im Fußball genug andere spannende Dinge als die Deutsche Meisterschaft.

    Aber da der Kommentator über mir eine Petition erwähnt: Gibt es denn eine Forderung Deinerseits und ich hab sie überlesen?
    Oder anders: Ist die Bundesliga tatsächlich “toter” als sonst? Als effzeh-Fan war es auch in den 80er und 90er Jahren fast immer vorher klar, dass man nicht Meister wird, oder? Okay, anders… für die meisten Fans aller anderen vereine war es klar, dass der effzeh nicht Meister wird.

    Ich wiederhole mich: So what? Bundesliga geht weiter.
    Ich konzentriere mich auf meinen Verein, sollen die anderen doch machen was sie wollen.

  • Aber, aber.

    Die Superleague gibt es doch schon. Schimpft sich Champions League. Ist in der 2. Saisonhälfte nichts anderes. In der 1. Saisonhälfte gibt es halt noch lustige Wildcard-Teams die dann mal gerne auf die Fresse haben möchten ;)….

  • @Übersteiger: Forderung? Nein. Was kann ich fordern? Ich fände es halt im Interesse aller einleuchtender, wenn sich die Bayern aus der Liga verabschieden und mit den anderen großen Clubs ihr eigenes Ding machen würden. Dass das nicht sonderlich realistisch ist, ist mir durchaus bewusst aber das wäre schon schön.

  • Gudrunner

    Das alles klingt nach “Määäh wenn wir den FC Bayern nicht schlagen können, dann spielen wir halt nicht mehr mit”.

    Sollen Vereine wie z.b. Darmstadt dann ihrerseits auch aus “Spannungsgründen” den Effzeh aus der Liga wünschen, weil dessen Geld/Qualitäts/Bekanntheits/Medienverbreitungsvorsprung hinsichtlich D98, analog zum Vorsprung von Bayern hinsichtlich dem Effzeh, faktisch nie wieder eingeholt werden wird?

    Warum steigt ein SC Freiburg immer wieder gerne auf, obwohl der Rückstand auf allen Ebenen zu Vereinen wie Köln, Stuttgart und Frankfurt nie aufzuholen ist? Und nur eine Chance auf eine Platzierung oberhalb der genannten Clubs besteht, falls die ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen?

    Eine Superliga ist ein zu kurz gedachter Vorschlag. Wenn die Großclubs ausgegliedert von den Nationalligen dort antreten, würde man aus Deutschland sicher nicht nur die Bayern aufnehmen. Dortmund und Schalke wären mindestens auch noch dabei.
    Sollte der Effzeh dann eine FCB/BVB/S04-freie Bundesliga gewinnen, wäre das in etwa so feierlich, als wenn du spät nachts als einer der letzten verbliebenen, traurigen Barbesucher von irgendeiner Pummeligen aufgerissen wirst, die vorher keinen abgekriegt hat. Die ganz große Freude kommt nicht auf.

    Für mehr Spannung in der Bundesliga wäre stattdessen eine Playoff-Einführung für die Plätze 1-8 zu diskutieren. Dann entscheidet sich die Meisterschaft immer erst beim letzten Spiel.

  • Zur Verdeutlichung: Ich schreibe das aus einer recht neutralen Sicht. Klar, der effzeh ist mein Verein, er dient aber nur als Beispiel. Eigentlich geht es um die Sichtweise, die ich als Fan einer Mannschaft ohne Meisterschaftsambitionen auf die Liga als “Produkt” habe. Und aktuell gebe ich nur soviel Geld aus, wir irgend nötig. Würde es die Möglichkeit eines “Follow-your-Team”-Pass bei SKY geben, ich wäre sofort dabei. Der Rest interessiert einfach nicht mehr so wie früher und die Bayern sind da mMn ganz klar Teil des Problems.

  • Das mit der Forderung war auch eher der Wink an OttoKleff, der ja die Petition unterzeichnen würde… und mir war nicht ganz klar, was denn auf der Petition steht.
    Und die Bayern aus der Liga verabschieden?
    Hmmmnee, wir würden ja nie mehr Weltpokalsiegerbesieger werden können, doof 🙂

  • Max

    Ja, ich glaube Du hast recht.
    Auf Dauer wird die Dominanz der Bayern dazu führen, dass nur noch Fans die Bundesliga verfolgen, weil sie sich für ihren Verein interessieren.
    Alle neutralen Beobachter verabschieden sich und die Umsätze brechen ein, dann haben die Bayern weniger Kohle und Sky und die DFL reagieren ebenfalls.
    Ich glaube nicht, dass es nötig sein wird hier regelnd einzugreifen. Solche Sachen haben imho die Eigenschaft sich -irgendwie- selbst zu regeln.

    Aber auf absehbare Zeit wird das Titelrennen in der Bundesliga so spannend wie Möhrchenbrei sein. Der Abstiegskampf wird die Leute noch bei der Stange halten, das wird viel kompensieren.

  • Matthias

    Ich sehe die Entwicklung der Bundesliga auch mit Skepsis. In dem schönen Buch (wenn man Zahlen mag) “The Numbers Game” von Chris Anderson und David Sally wird u.a. am Beispiel England davon berichtet, dass 92% der Tabellenposition in der Premier League durch die unterschiedlichen Spielergehälter (also auch dem Gesamtetat) erklärt werden kann. Da sehe ich dann rabenschwarz für Deutschland.

    Die Grafik in diesem Blogpost macht mir deshalb so viel Angst, weil die Bayern in gerade mal zehn Jahren so davon gezogen sind. Da tröstet mich NedFuller nicht mit seinem Einwand, dass Bayern ja nur jedes zweite Jahr im Schnitt Meister wird. Vielleicht kann er ja mal die letzten zehn Jahre durchzählen. Solange möchte ich mich mit den Bayern nicht beschäftigen.

    Ein kleiner Schritt wäre schon damit getan, jedem Bundesligisten gleich viel aus dem Topf der Fernsehgelder zukommen zu lassen. Im Moment erhält da Bayern ca. doppelt so viel wie die Aufsteiger, soweit ich die Tabelle aus dem Kicker Bundesliga-Sonderheft in Erinnerung habe. Hier könnte man etwas Ausgleich schaffen. Die Topverereine hätten dann aufgrund der im Post beschriebenen Meinungsmache immer noch genügend Geld.

    Der Reiz in der Bundesliga liegt für mich nur noch darin, den Elfzeh zu verfolgen, was zur Zeit mit sehr viel Freude verbunden ist. Ich denke dieses Jahr ist auch mal wieder ein 1:0 für uns in München drin. Wir werden sehen ;.)

Haut rein, schreibt mir was!