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Hoffenheim – FC: Sucker Punch

Es läuft die 90. Spielminute in Hoffenheim. Wieder hat die Innenverteidigung um den glänzenden Dominic Maroh einen Ball aus dem rechten Halbfeld abgewehrt, Klünter treibt den Ball für den effzeh nach vorne, hat den Kopf aber nicht oben, macht das Spiel nicht breit und wechselt die Seite, sondern stolpert im Lauf in den Ball, der dadurch zu weit vom Fuß springt. Er hechtet dem Spielgerät hinterher und ich fange an zu toben, wie schlecht das gerade gespielt war.
Da! Der Hoffenheimer Eduardo Vargas kommt minimal später an den Ball als Klünter, der den Kontakt mit Vargas zieht aber Deniz Aytekin lässt weiterlaufen. Ich stehe mittlerweile vor dem Fernseher und habe die Hände krampfhaft in den Haaren vergraben.
Andrej Kramaric bekommt auf links freies Geleit von Risse, passt oder schießt den Ball in den Fünfmeterraum, wo Timo Horn zur Seite abwehrt. Ich kann nicht hingucken. Ich sehe es nicht so höre es nur. Volland steht richtig und schießt zum 1:1 ein. Ich drehe mich um und gehe aus dem Zimmer. Ich muss kurz an die frische Luft. Es schreit in mir.
Auch nach soundsoviel Jahren immer gleichen effzeh-Versagens ist so ein Gegentor in letzter Minute, ein so unnötiges und dummes Gegentor ein Stich ins Herz. Ich möchte losbrüllen aber das Patenkind ist eben erst ins Bett gegangen und ich will es nicht wecken. Ich gucke in den verwaisten Garten. Hinten links wippt ein halb-abgebauter Schirmständer traurig im Wind. Die Dämmerung setzt ein und es ist nicht mehr so richtig warm. Der 1.FC Köln spielt unentschieden gegen Hoffenheim und wenn in genau diesem Moment eine feindliche gesinnte Alien-Rasse die erste Stufe ihres Plans die Menschheit zu versklaven in Angriff genommen hätte, ich hätte es hingenommen. Ich trinke mein Bier aus, setze mich auf die letzte Kellerstufe und versuche mir im Gegenwind eine Zigarette anzuzünden.

Sunny days, where have you gone?

Ich weiß nicht ob Ihr es rauslesen könnt aber ich bin frustriert. Warum passiert uns sowas? Warum muss der 1.FC Köln immer das ganz große Drama auspacken? Warum beherrschen wir den Gegner 89 Minuten lang um dann in der einen Szene, die alles entscheidet, auf Kollektiv-Blackout umzuschalten und uns so um die Früchte der Arbeit zu bringen? Warum?

Where did the blue sky go?

Ich will das Spiel nicht nacherzählen, das kann der Kicker machen, aber es ist wieder das alte Lied: Der letzte Paß kommt nicht an, die Flanken / Ecken / Standards sind von bescheidener Qualität und wenn dann mal eine Großchance da ist, wird diese versemmelt. Modeste, Bittencourt, Risse. Es tut weh. Dabei spielt der effzeh ja eigentlich eine gute Partie, die Räume werden sehr gut zugemacht, die Ketten verschieben sehr flexibel, das Spiel nach vorne ist durchaus schnell und ansehnlich über die Flügel, die Zweikampfführung ist komplett in Ordnung und bis 20 Meter vor dem Tor sind sogar die Paßquoten einigermaßen zu gebrauchen. Zudem sieht es durchdacht und planvoll aus. Als dann dieser eine Ball in die Mitte durchkommt und Simon Zoller unbedrängt einschieben kann, sieht es so aus als würde der bis dahin starke Auftritt belohnt werden. Mir wurde der effzeh in der Folgezeit zwar etwas zu passiv aber durch die Verdichtung der beiden Ketten 30-20 Meter vor dem eigenen Tor war noch weniger Platz für die Hoffenheimer da gefährliche Situation zu kreieren. Ein Bein war immer dazwischen und so gab es bis auf einen Schuss von Volland über das Tor nichts, was den Blutdruck in gefährliche Regionen steigen ließ. Die 90. Minute läuft. Klünter hat den Ball…

Even when the sun is shinning I can’t avoid the lightning.

Und jetzt brechen alle Dämme. Klünter liegt verletzt in der Hoffenheimer Hälfte, die Hoffenheimer spielen weiter. Aytekin unterbricht nicht.

Dann muss man eben weiterspielen, Herrgott!

Solange der Schiedsrichter nicht pfeift, solange der Ball nicht im Aus ist, musst du deine Augen und dein Hirn auf den Platz richten, lieber 1.FC Köln-Bundesligaprofi. Da kann ich nicht den Arm heben und mich gleichzeitig an der Außenlinie überlaufen lassen. Es ist zum heulen. Und, mal ganz ehrlich: Natürlich spielt Hoffenheim da weiter, wenn Aytekin nicht pfeift. Ich würde auch sagen, dass man durchaus Foul an Klünter pfeifen kann (vor allen Dingen weil Aytekin bis dahin eine körperlose Linie pfiff und jeden Puster, jeden Kampf um den Ball abpfiff) aber man muss es auch nicht zwingend. Klünter ist in der Superzeitlupe eine 1/10 Sekunde schneller am Ball als Vargas, der durchzieht und den Ball mehr trifft als seinen Gegenspieler. Kann man so oder so sehen, ist aber in meinen Augen nicht mehr als eine “kann man, muss man aber nicht”-Geschichte. Dass die Hoffenheimer dafür in den 90. Minute einen Angriff auf halbem Weg abbrechen sollen ist Quatsch. Stellt Euch mal vor der effzeh liegt im Heimspiel 0:1 gegen Leverkusen zurück, hat den Ball in der 90. Minute erobert und läuft auf die vielleicht letzte Chance im Spiel zu und dann wird der Ball ins Aus gespielt, weil Kruse orientierungslos im Gras liegt. Was wär denn da los in Müngersdorf? Ich bitte Euch. Da gibt es keine Vorwürfe in Richtung SAP.

Mich hat im Nachgang nur sehr geärgert, dass von effzeh-fremden Twitter-Accounts eine “selbst-schuld-wenn man Darmstadt-Methoden anwendet”-Meinung verbreitet wurde, die ich als sehr anmaßend und zudem sachlich falsch empfand. Aber Twitter und Fußball ist sowieso ein Thema für einen anderen (sehr, sehr häßlich werdenden) Text. Hätte ich zudem Zeitpunkt einen Kaugummi im Mund gehabt, mein Monitor wäre nachhaltig verstört in den Ruhezustand gegangen. So blieb es bei wilden Flüchen.

Aber egal.

Wollen wir auch noch auf den nicht gegeben Elfmeter reden? Ja? Nee, oder? Das Handspiel hat jeder gesehen, muss Aytekin pfeifen, war aber ja erst der siebenhundertdreiundzwanzigste Elfer den wir diese Saison nicht bekommen haben, von daher habe ich noch Hoffnung, dass sich das im Verlauf der Saison ausgleicht.

Nein, das Thema langweilt mich nur noch. Das Spiel verschenken nur wir. Klünter darf nicht den Ball verspringen lassen, muss eigentlich den Ball schon lange losgeworden sein, darf nie in den Zweikampf gehen und in der Rückwärtsbewegung dürfen wir uns nie so überrumpeln lassen. Es ist eine Fehlerkette, die mit dem unglücklichen Abklatscher von Horn endet und uns um drei Punkte bringt, die mich ruhiger hätten schlafen lassen, denn, ich wiederhole mich: Sechs Punkte in sechs Spielen sind kein uneinholbarer Vorsprung. Ich denke auch, dass uns noch drei Punkte gelingen werden und dass wir die Klasse halten werden aber muss es denn wirklich immer Drama sein, effzeh?

Warum schenkst Du uns nie Frieden? Warum?

I get the strangest feeling you belong.

Nächste Woche geht es gegen Leverkusen und ich freue mich auf das Spiel wie auf einen Termin beim Gastrologen.

Come on effzeh!

2 comments to Hoffenheim – FC: Sucker Punch

  • DerKaiser

    Guter Artikel Axel dem ich voll zustimme. Man hat genügend Gelegenheiten gehabt den Angriff der Hoffenheimer zu unterbrechen und den Ball selbst ins Aus zu schlagen. Aber dafür hätte man einfach mehr als nur alibimäßig verteidigen müssen.

    Ich hab nur eine kleine Berichtigung zu deinem Artikel. Auf Hoffenheim sind es zwar weiterhin nur 6 Punkte. Nachdem die in der Tabelle gestiegen sind haben wir auf den Relegationsplatz jetzt 7 Punkte Vorsprung. Ist zwar auch nicht die Welt aber immerhin.

    Gruß
    Jürgen

  • Max

    Ja, hätte nicht sein müssen. Aber ist es nicht toll, dass der Effzeh trotz der vielen Benachteiligung mit dem Abstieg kaum noch was zu tun hat? Das spricht doch für eine gute Entwicklung. Letzte Saison wäre man mit dem Pech noch sang- und klanglos angestiegen.

Haut rein, schreibt mir was!