Social Media:

München – FC: Da legst di nieda!

Leg ihn in die Mitte. Nimm den Kopf hoch. Nicht ins lange Eck. Nein. Nein. Oh so knapp.

Da läuft Simon Zoller in der 92. Minute alleine auf das Tor der Bayern zu, rechts kreuzt Modeste in den Strafraum, ich stehe vor dem TV, das Herz schlägt im Hals wie ein sehr frustrierter Klischee-Häftling auf einen Sandsack, er muss nur noch den Ball… nein… vorbei. Einen schrecklichen Augenblick später ist das Spiel vorbei, der 1.FC Köln ist auch nach sechs Spieltagen ungeschlagen, entführt beim allmächtigen FC Bayern einen Punkt und aus einem normalen Samstagnachmittag wird ein Spätsommer-Spektakel. Ein erneuter Beweis für die Klasse dieser Mannschaft, für den Willen, für die Moral, für den unendlichen Spaß, den die Truppe uns momentan bereitet. Aus den Kneipen der Stadt, egal ob es sich um einen türkischen Teesalon, eine hippe Medienleute-treffen-sich-zum-Holunderblütenschampus-trinken-Bar oder die kölsche Eckkneipe handelt, springt Henning Krautmacher auf die Strasse, die Leute haben ein Lächeln im Gesicht als sei der Alltag ganz weit weg, als ob man Urlaub machen würde vom Mief und der Tristesse. Hunde und Katzen liegen sich in den Pfoten, Eichhörnchen flitzen schnell nach Hause um die Sportschau nicht zu verpassen und sogar die KVB kommt pünktlich. Dieser Flug wird ihnen präsentiert vom ersten Fußballclub Köln. Bitte stellen sie die Rückenlehne senkrecht und klappen ihren Tisch zu. Wir heben ab.

Ja, natürlich sind die Bayern die bessere Mannschaft. In der ersten Halbzeit lassen sie den effzeh und den Ball laufen, zirkulieren um den Strafraum wie die Hunde um Ramsay Bolton, haben einen gefühlten Ballbesitz von 90%, erobern alle zweiten Bälle, laufen wieder und wieder an und sind doch so unkreativ wie ein Finanzbuchhalter, der Powerpoint-Folien erstellen soll. Jeder Angriff folgt dem gleichen Muster: Rechts raus zu Robben, der macht seinen Strafraum-Move, hat aber kein freies Schussfeld. Zurück in die Mitte zu Martinez oder Sanches, die gucken mal kurz, nee, nix frei, dann nach links, Flanke oder Ecke, alles auf Lewandowski, Heintz klärt, neuer Anlauf. Es gab im Spiel der Bayern genau gar keinen Überraschungsmoment. Wenn das also Weltspitze ist, dann ist der Fußball vielleicht sogar noch kränker als gedacht. Die Bayern verlassen sich zu 100% auf ihre überragenden Einzelkönner, spulen ihr Spiel ab wie ein langweiliges Computerspiel bei dem man den Trick wie man gewinnt schon längst raus hat, adaptieren fast gar nicht, sondern agieren rein nach Schema F. Das ist einerseits brutal gut, weil natürlich das entsprechende Personal vorhanden ist, aber anderseits ist es ein Offenbarungseid für die Liga und auch für die Bayern, denn anscheinend hat man gar keinen Plan B für Bundesliga-Spiele, weil dieser in 95% der Fälle halt gar nicht nötig ist. Gestern fiel es extrem auf, ich bin gespannt wie sich die Spiele des FCB in zwei, drei Monaten anfühlen werden.

Aber es ist nicht nur so als sei der effzeh zum Punkt in München gekommen, weil man nur Glück gehabt hat. Mitnichten. In der ersten Halbzeit, als man so massiv in die Verteidigung gedrängt wurde, dass ich nach 10 Minuten schon dachte: uhoh, das könnte ein langer Nachmittag werden, macht die Mannschaft das, was sie machen muss. Sie ist extrem nah am ballführenden Spieler, lässt keine Räume, verdichtet das Zentrum derart dass man Angst haben muss, dass ein Bayern-Spieler zu nah an das Gravitationsfeld kommt und absorbiert wird, zerstört das Spiel mit unbändigem Kampf und Willen. Teilweise war die Fünferkette eine Siebenerkette (der SKY-Experte von “Mordkommission Istanbul” sprach von einem klassischen 4-4-2, das ist alles was man zur Übertragungsqualität von SKY wissen muss – aber das ist ein Thema für einen anderen Tag) und die Prämisse war sehr simpel: Ball weg, neu stellen, Ball weg. Das mag fußball-ästhetisch nicht wunderschön sein aber es ist das Mittel, dass eine Mannschaft wie der effzeh einsetzen muss, um halbwegs anständig aus einem Spiel gegen solch einen Gegner herauszukommen. Wir können es uns nicht leisten da mitzuspielen. Das ist keine neue Erkenntnis und es ist auch kein sonderlich romantisches Statement aber am Ende des Tages (hah!) spielst du Fußball um zu gewinnen, nicht um gut auszusehen. Jedenfalls ist mir persönlich ein graupiges 1:0 mit Stockfehlern und einem Abseitstor lieber als das schönste Spiel der Welt, das 4:5 verloren geht. Ja, ich weiß auch das ist nicht die schönste Aussage aber so ist es nunmal. Ich bin Fan, ich will das mein Team punktet. Das wie ist da erstmal egal. Ich genieße auch schönen Fußball, kann mich immer und überall dafür begeistern, wenn er passiert aber wenn es um Punkte für den effzeh geht bin ich Opportunist. Nimm mit was du kriegen kannst.

Dass der effzeh aber auch noch ganz andere Qualitäten hat als das Vernichten von zarten schönes-Spiel-Seelen, zeigte sich nach dem Ausgleich als die Bayern so nervös und fahrig wirkten als hätte sie das Tor wirklich in die Magengrube getroffen. Plötzlich stand das Team von Peter Stöger 20 Meter höher im Feld, erkämpfte sich im Mittelfeld die Bälle, verlagerte immer wieder geschickt und schnell nach Außen, setze Geschwindigkeit ein und übertölperte so die -ziemlich unsortiert wirkende- Bayernabwehr fast zwei Mal. Beide Mal war es knappes Abseits allerdings auch richtig erkannt. Aber die Gelegenheit war da. Ein Schritt später, der Pass eine halbe Sekunde früher… das war schon eine richtig, richtig gute Phase, die der effzeh da hatte.

Auch hier muss man fairerweise erwähnen, dass die Bayern immer noch individuell das bessere Team waren, dass sie natürlich Chancen hatten das Spiel für sich zu entscheiden. Drei(?) Pfostenschüsse, ein fantastischer Timo Horn und die weiter unfassbar gute Kollektivleistung des effzeh verhinderten aber eine Niederlage. Wir können jetzt lang und breit über verdient bzw. glücklich debattieren, wir können es aber auch sein lassen und uns einfach an dem Punkt freuen, den so sicher niemand erwartet hat.

Jetzt muss Zoller nur noch in die Mitte…

Come on effzeh!

1 comment to München – FC: Da legst di nieda!

Haut rein, schreibt mir was!