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Serientäter: Friday Night Lights

FNL; © DirecTV & NBC; 2006


Texas forever, man. Texas forever

Irgendwann 2005 hab ich mal den Film gesehen, dieser hat mich nicht wirklich begeistert, obwohl er auch nicht ganz schlecht war und so hab ich mich bis jetzt um die Serie gedrückt. Fälschlicherweise. Es ist wie immer: Die Amis wissen einfach, wie man hervorragende TV-Unterhaltung produziert. FNL ist nichts anderes als ein Drama-Monster, eine realistische -und damit meilenweit von zuckersüß entfernte- coming-of-Age-Story, eine Bestandsaufnahme der weißen amerikanischen Mittelschicht, ein Sittengemälde des Südens, eine fundierte Gesellschaftsstudie und eine Hommage an den Sport. Dass die Geschichte nie langweilig wird, nie zu überlastet erscheint und über (bis heute) vier Staffeln immer den Fokus wahrt, ist eine Meisterleistung, doch beginnen wir vorne:

Willkommen in Dillon, Texas, einer fiktiven Kleinstadt in der es eigentlich nur ein soziales Thema gibt: Die lokale Football Mannschaft der Dillon High School, die Panthers. Star und damit natürlich der All-American-Boy, der Liebling der hübschesten Mädels ist der ebenso charmante wie eloquente Quaterback Jason Street.
Ein neuer Coach kommt in die Stadt, mit Frau und Tochter, es gibt den gönnerhaften und doch stets auf seinen Vorteil bedachten Sponsor der Panthers, den farbigen Parade-Athleten, den klischeetriefenden High-School-Rebell und insgesamt kommt man sich in der ersten Folge vor, wie in einem etwas ernsteren American-Pie-Verschnitt. Ich dachte schon daran das ganze zu canceln auch wenn mich die imdb-Wertung von stolzen 8,6 recht ratlos zurückließ. Doch dann…

Jetzt kommt ein kurzer Spoiler für die ersten paar Folgen der ersten Staffel, der jedoch sein muß um zu erläutern, warum ich mich mittlerweile als ein ständiger Einwohner von Dillon sehe. Für alle, die wirklich selbst sehen wollen, was passiert, ihr werdet nicht enttäuscht sein. Lest bitte erst nach dem nächsten Absatz weiter.

Im ersten Spiel der neuen Saison, also nachdem die Charakter, mit ihren Träumen, Wünschen und Eigenschaften kurz umrissen vorgestellt wurden, erleidet der o.e. Star des Team, bei einem Tackle einen schweren Hit, bleibt bewusstlos auf dem Feld liegen und im Krankenhaus stellt man eine Querschnittslähmung fest. Aus der Traum, vorbei die Karriere, vorbei der Gedanke an eine “normale” High-School-Serie. Hier passiert Drama, Baby. Was dieses Kehrtwende noch eindrucksvoller erscheinen läßt, ist, dass die Person Jason Street damit nicht etwa weiter im Mittelpunkt steht (wie man nach Ansicht der ersten Minuten erwarten konnte), sondern, dass das Leben weiter geht, dass sich der Coach auf einmal mit dem jungen, völlig unerfahrenen Ersatz-Quaterback Matt Saracen auseinandersetzten muss, dessen Vater im Irak Dienst schiebt, der allein auf seine demenzkranke Oma aufpasst, noch nie etwas mit einem Mädel hatte und somit so gar nicht dem Stereotyp eines QB1 entspricht. Wie gehen die Mannschaftskameraden mit dem Verlust um? Wie die Freundin, wie die ganze Stadt? Das ist ein Thema, aber nicht das alleinige. Es gibt viel zu sehen, viel zu erleben und viel zu leiden in Dillon, Texas -> Spoiler Ende

Die Serie besticht durch zwei markante Merkmale. Zum einen ist der Cast ein wirkliches Ensemble, die praktisch gleichbedeutend ihre Rollen verkörpern. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf der örtlichen High School und dem Football-Team, so dass man schon sagen kann, dass Coach Taylor eine gewisse Sonderrolle einnimmt, weil er halt am meisten Airtime hat aber dennoch stehen die anderen Personen auf einer Ebene. Es gibt keine herausragende Hauptrolle. Dadurch lernt man alle handelnden Personen im Verlauf der Serie etwa gleich gut kennen. Die Charakterbildung ist übrigens herausragend.
Der zweite wichtige Punkt ist die Authentizität der Serie. Hunderte Locals wurden als Extras engagiert, es entsteht ein wirkliches Kleinstadt-Flair, jede Rolle ist perfekt besetzt. Und, wie das so ist in der Schule, irgendwann ist Schluss mit lustig, dann kommt der letzte Schultag, das letzte Spiel und danach geht das Leben trotzdem weiter. Nur eben nicht mehr als tragende Figur in der Serie. Das ist ganz, ganz hervorragend gemacht, man fühlt sich irgendwie mittendrin und vermisst die Figuren wie echte Menschen und ist dadurch viel, viel näher am Drama und freut sich tatsächlich, wenn sie wieder “auf Besuch” kommen. Das ist einfach nur grandios umgesetzt.

Leider gelang es FNL nie eine wirklich signifikante Einschaltquote bei NBC zu erreichen. Das mag damit zu tun haben, dass die Serie vorab als Premium-Produkt bei DirecTV läuft (aktuell ist NBC bei Staffel 4, Folge 10 – bei DirecTV läuft im Herbst die 5. Staffel an) und damit viele Fans schon vorher “bedient” wurden. Kann sein, ich weiß es nicht. Da jedoch die Quoten wichtig sind, ist es wohl so, dass nach der fünften Staffel die Serie eingestellt wird. Alles deutet darauf hin, ein wirkliches finales Statement der Producer steht aber noch aus. Im Gegensatz zur Quote stehen die Kritiken, die überschwänglich, fast euphorisch ausfallen. Zudem ist FNL ein PrimeTime-Emmy-Gewinner (sowohl für “outstanding Cast” als auch für das Script), gewann in 2007 den renommierten “Outstanding New Program of the Year”-Award der Television Critics Association und kann sich über eine breite Online-Fanbasis freuen, die nichts unversucht lassen, dass es weitergeht, in Dillon, Texas.

Jetzt, wo die Bundesliga noch einen Monat Pause hat, wenn es abends zu heiß ist zu schlafen, empfehle ich dringend den Konsum von 76 mal 42 Minuten ganz, ganz großem Fernsehen. Ihr werdet es nicht bereuen. Ich seh Euch dann später, in Dillon, Texas. Texas forever, man. Texas forever!

★★★★½

2 comments to Serientäter: Friday Night Lights

  • Danke für den Tipp, das hört sich spannend an! Nach dem, was du da beschreibst, könnte dir auch “Skins” gefallen, eine englische Serie. (Wenn du die nicht eh schon kennst.) Ganz anderes Thema, aber vom Prinzip her (gleichgestellte Figuren, “echte” Emotionen) ähnlich.

  • Tatsächliche kenne ich “Skins”. Ich hatte jedoch große Problem Interesse für die Personen zu entwickeln. Da fand ich einiges arg konstruiert (Maxi & Cassi).
    Habe drei oder vier Folgen gesehen, muss mal gucken ob ich da weiter mache…

    Hast Du mal in “Sons of Anarchy” reingeschaut? Kompletter Wahnsinn. Mit Ron Perlman und Katey Sagal. 90 von 100!

Haut rein, schreibt mir was!