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Auf Asche

Erstmal Lattenschießen um herauszufinden, wer als Erster in’s Tor muss. Damit fing jeder Tag auf dem Bolzplatz an. Niemand wollte den Eike Immel geben, also musste das Geschick entscheiden. Wer vom Elfmeterpunkt als Letzter das Quergebälk traf, musste sich die verranzten Handschuhe anziehen und sich auf eine Menge fieser Direktabnahmen aus kürzester Entfernung einstellen. Hoch 1 hieß das Spiel und praktisch jeden freien Tag haben wir es gezockt. Fünf, manchmal sechs Jungs, ein Ball, ein unbewachter Fußballplatz irgendwo nahm am Wald, nahm am See. Techniker vor dem Herrn allesamt, Fallrückzieherspezialkicker.

Mittwochs- und Freitagsabends kam dann noch “Training” dazu, Sonntags war Meisterschaft oder Turnier. Wie lange das schon her ist. Eine Ewigkeit und zwei Jahre. In der Schule die Fussball-AG, glorreiche Siege und eine dumme, vermeidbare Halbfinal-Niederlage bei den Diözesan-Sportfestspielen in Bad Münstereifel, endlose Stunden auf moosüberwucherten, von der Wirklichkeit vergessenen Steintribünen, Sonntage im Auto um drei Spiele um 10, um 13 und um 15 Uhr zu schauen und eine BiFi für den Weg. Those were the days my friend…

Heute ist das Spiel in meinem Leben zu großen Teilen Hochglanz. Gut, der effzeh ist nicht mehr das schönste Postergirl des deutschen Fußballs aber er dennoch so weit weg von früher, wie es nur sein kann. Die Champions League kommt über SKY in’s Haus, alle großen Ligen ebenfalls, es gibt Magazine für Fußballkultur und TV-Sendungen mit Oliver Pocher. Es ist alles sehr passiv geworden. Freunde von mir spielen ab und an noch in der Halle und ich nehme mir auch immer wieder vor da mal wieder hinzugehen aber letztlich siegt auch hier die Bequemlichkeit. Knie tut weh, langer Arbeitstag, müde, grad’ gegessen, irgendwas ist immer. Ich muss das ändern, merke ich gerade. Es fehlt mir doch sehr.

Wenn ich ab- und zu an einem unserer alten “Spots” vorbei komme, dann kann es schon sein, dass der Schritt mal langsamer wird, dass ich drüber nachdenke. Dieser eine magische Moment, dieses Tor, dass man nie vergisst. Ihr wisst, was ich meine, oder? Heute sind die meisten Plätze schrecklich verwaist. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine Horde Kinder mit einem Fußball gesehen habe. Vielleicht ist das in anderen Bereichen Deutschlands anders aber hier, am Rand der großen Stadt, gibt es praktisch keinen Straßenfußball mehr. Dafür weiß natürlich jeder Sechsjährige dass Messi in Barcelona spielt und Robben in München. Wie langweilig. Aber: The Times They Are a-Changin’.

Nun gibt es ein neues Buch, dass die “alten Zeiten” wieder in die Erinnerung zurück holt. Vielleicht nichts für die “Generation Ultras”, sondern eher etwas für die Kinder der 70er und frühen 80er Jahre, die die Ascheplätze noch selbst erleben durften. Ich nenne uns mal die “Schürfwunden-Generation”. Eine blöde Kunstrasen-Reizung kannst Du Dir heute an jeder Ecke, in jeder hochsterilisierten (Labbadia) Soccerhalle zum Nulltarif anlachen aber so eine richtige schöne, dreckige Schürfwunde zum Auswaschen am Oberschenkel, nach einer Blutgrätsche über zehn Meter auf dem trockensten Stück Boden, dass unser Planet hergibt, das gibt’s doch heute gar nicht mehr! Da käm’ doch heute sofort das Jugendamt angelaufen oder die Grünen würden den Platz sperren lassen, weil die Kinder in Gefahr seien!

Ich schweife ab.

Also, ein Buch, ja genau. Für uns, für die Nostalgiker, für die Romantiker. “Auf Asche” heißt es und beinhaltet 22 Geschichten aus der “guten alten Zeit”. Zusammengestellt von Sascha Theisen (Torwort) und Ben Redelings (Scudetto) kommen viele bekannte Fußballconnaisseure zu Wort und erzählen ihre persönliche Geschichte vom Ascheplatz.

Wenn Axel Formeseyn von den Alkoholeskapaden der 3. Mannschaft von Altona 93 erzählt oder Frank Baade das kleine 1 mal 1 der “Halle der Gasftfreundschaft” erklärt, dann habe ich sofort die Bilder dazu im Kopf. Der schlimme Kater der 1. Herrenmannschaft der SpvgG Vochem nach einer langen Thekenschlacht und einer unglücklichen Sonntagsmorgensansetzung: “Schön Spill Schiri, wa? Schad’ dat de et nit sinn kannst!“. Klares Rot. Drei Minuten gespielt. Oder die Mehrzweckhalle in Kerpen. Heimstatt eines Turniers für weitestgehend lustige Freizeitmannschaften. Bei solchen Gelegenheiten findest Du immer mindestens einen Idioten, der es nicht versteht und den heiligen Ernst auspackt. Schöne spitze Schreie lassen einem die Bockwurst vom Teller fallen.

Es ist genau dieses: “Ja, klar, so war das damals”-Gefühl, was das Buch ausmacht. Du erkennst Dich wieder, du hast das alles selbst schon erlebt, du weißt, wovon die Menschen da sprechen. Das macht das Buch extrem kurzweilig. Dazu kommt noch, dass es in den einzelnen Geschichten kaum Qualitätsunterschiede der Autoren gibt. Ich meine, klar, die Stile sind schon andere aber das soll ja auch so sein, es ist ja ein Querschnitt. Besonders zu erwähnen ist noch, dass 1 Euro pro verkauftem Buch und alle Autorenhonorare an die Sepp-Herberger-Stiftung gehen. Ihr unterstützt mit dem Kauf das Projekt “Fußballfreunde“, das behinderte Kinder mit gesunden zum gemeinsamen Fußballspiel zusammenbringt.

Also, Leute, klare Empfehlung: Kauft Euch dieses Buch, schwelgt mal wieder in Erinnerungen, lasst Messi Messi sein und erinnert Euch an den kleinen, dicken, cholerischen Torwart der dritten Herrenmannschaft, der keinen Ball halten konnte aber immer der Innenverteidigung die Schuld gab.

Damals, Sonntagsmorgens um zehn, in der Kreisliga C. Auf Asche.

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Und, weil der “Verlag Die Werkstatt” und die Agentur “STAMMPLATZ Kommunikation” nicht knausrig waren, gibt es jetzt ein Exemplar hier zu gewinnen.

Frage: Wie viele Tore fallen am 23. Spieltag der Kreisliga C, Staffel 9, Mittelrhein?

Einfach euren Tipp in den Kommentaren posten (eMail-Adresse nicht vergessen!).
“Einsendeschluss” ist Sonntag, 12.05., 9 Uhr (weil das erste Spiel um 9:30 Uhr(!) losgeht)

17 Mannschaften, acht Spiele, Vochem hat spielfrei!

Bei gleichen Tipps entscheidet das Los, Videoübertragung ist geplant!

Viel Glück!

1
“Auf Asche”
Verlag Die Werkstatt
Ben Redelings / Sascha Theisen (Hrsg.)

16 comments to Auf Asche

  • Christian Einhaus

    Das mit Hoch Eins hat echt Erinnerungen geweckt, auch ich war ein Fallrückzieherspezi, und habe es geliebt… Zum Gewinnspiel: habe keine Ahnung, aber dafür sage ich einfach 22 Tore…

  • Hoch 1 klingt wie unser “Putten”, und anstatt der Latte schossen wir die Pfosten. Ansonsten. Danke. Ich gehe jetzt runter zum Bolzplatz und weine heimlich ein wenig.
    Achso, es fallen selbstverständlich 34 Tore.

  • geisswolf

    Hach, ich hab fast Tränen in den Augen, wenn ich an früher denke. Vielen Dank für die gelungene Vorstellung des Buches. Sicher fallen 28 Tore und ich lehne mich bald zurück in den Sessel und lese das Buch. Ausser, der Effzeh spiel 😉

  • Malzi

    Mein Gott sind wir alt geworden…
    Beim nächsten Starkregen werde ich meine Fußballschuhe anziehen und nochmal nen lupenreinen Fallrückziehr in die größte Matschpfütze machen, die ich finde – und danach den Ball sauberlecken!!!
    Und 25 Tore werden´s!

  • hilm

    habe heute noch asche im linken knie. schwarze. vom tus hochheide (duisburg linksrheinisch). es fallen 46 tore.

  • Die Lösung lautet: 25.

  • Wonderland

    13

  • Johannes

    klar! man kann immer in der Vergangenheit leben! 23 Tore!

  • Tox

    die Liga hat aber nur 13 Mannschaften und das Spiel von 9:30 Uhr ist verlegt worden… deshalb darf ich noch mitspielen: in den 6 Spielen fallen 20 Tore

  • Der Staffelspielplan von fussball.de zeigt acht Spiele an. Großartig, dass da anscheinend zwei Nachholspiele am Dienstag und Mittwoch mit dabei sind. Hab’ ich natürlich nicht gecheckt. Also: 13 Mannschaften, sechs Spiele. Bis 13 Uhr kann noch getippt werden…

  • Hmmm… bis jetzt sind es 20. Von Wesseling gegen Liblar ist kein Ergebniss bekannt (warum?) – und das verlegte Spiel, warten wir da noch drauf?

  • Jau. Muss. Ergebnis also am 14.05., spätabends…

  • hilm

    ich korregiere auf 31 tore

  • Max

    Gewinnspiel: wurscht, den Schinken kann ich mir auch noch kaufen 😉
    Als Torwart erinnere ich mich noch mit Freuden an den See vor dem Tor bei Starkregen (Vom rechten Pfosten zum Elfmeterpunkt und wieder zurück) in dem ich mich dann suhlen konnte und an die gelenkrettenden Knie- Ellenbogen- und Hüftpolster bei trockenem Wetter dank derer ich schmerzfreie Landungen nach meinen “Glanzparaden” hinlegen konnte, dank derer ich aber auch aussah wie ein Michelinmännchen…
    Ja, auf Asche. Da wird der wahre Fußball gespielt. Bei mir übrigens in der Kreisliga A ill/theel (im Saarland gab es aber keine Kreisliga C mehr, aufgrund des Mangels an Vereinen.

  • So, das Nachholspiel ist gespielt, das Wesseling-Liblar Ergebnis ist auch endlich da. Insgesamt sind 27 Tore gefallen. Damit hat -knapp aber verdient- geisswolf das Buch gewonnen. Mail ist raus, Herzlichen Glückwunsch!

  • geisswolf

    Am 9. Mai schrieb ich:”Hach, ich hab fast Tränen in den Augen, wenn ich an früher denke. Vielen Dank für die gelungene Vorstellung des Buches. Sicher fallen 28 Tore und ich lehne mich bald zurück in den Sessel und lese das Buch. Ausser, der Effzeh spiel 😉 ” und nun ist es passiert: Ich hab’s gelesen.
    Erstmal vielen Dank an Verlag, Agentur und die Teams der Kreisliga C9: Ohne Euch hätte ich nicht so viel Spass gehabt in den letzten Tagen!
    Beim Lesen kamen so viele Erinnerungen auf, dass ich jetzt Schmerzen im rechten Knie habe und glaube, dass die Schürfwunde am linken Unterschenkel eitert.
    Es waren sehr schöne, aber auch sehr unterschiedliche, immer persönliche Eindrücke, die ich teils selbst so erlebt habe, erlebt haben könnte oder zumindest mir das wünsche. Ein herrliches Buch.

    Aber jetzt geht es in die neue Saison. Trainer: checked. Cateringpartner: checked. Sportdirektor: planned (“Herr Schmadtke, zum Faxgerät, Herr Schmadtke bitte!”). Killer-Mittelstürmer: tbd.
    Loss jon, Effzeh. Auf eine schöne Aufstiegssaison.
    Und vielen schönen Artikeln hier im Blog.

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