Social Media:

Buchtipp: Wir Wochenendrebellen

Mirco ist nicht ganz einfach zu erklären. Mirco hat einen veritablen Sockenschuss. Das ist schon mal nicht die schlechteste Voraussetzung, um eine kleine Abkürzung in mein schmales, schwarzes Buch der coolen Leute zu nehmen. Andererseits ist Mirco Fan von Fortuna Düsseldorf, was – ganz objektiv betrachtet – nicht für einen rational denkenden Menschen sprechen kann. Vergl. -> Sockenschuss. Aber, er verdient sein eigenes Geld und wenn man sich mit ihm unterhält, kommt seine Fortuna-Leidenschaft fast gar nicht zur Geltung. Er artikuliert sich klug und verständlich, ist nett und umgänglich, ja man möchte sagen liebenswert. Es ist kompliziert, ich sagte es ja bereits. Mirco ist übrigens kein fiktionaler Charakter. Mirco gibt es wirklich, ihr könnt mir glauben. Ich durfte ihn, seine unglaublich charmante Frau und seinen Sohn Jason, um den es im Grunde geht, schon kennen lernen. Seine Tochter hält er noch vor mir geheim aber, okay, das kann ich sogar ein kleines bisschen verstehen, einen Joker will man immer in der Hinterhand haben.

Jason, Mircos Sohn, ist Asperger-Autist. Ich habe genau gar keine Erfahrung mit Autismus. Wenn mir vorher jemand gesagt hat: Das ist ein Autist, dann dachte ich an Dustin Hoffman in Rain Man und an Bleistifte auf dem Boden. Schubladendenken ist halt manchmal bequem. Als ich Jason aber dann beim Relegations-Spiel der Fortuna gegen Bayern II kennengelernt habe, war alles ein wenig anders. Jason war aufgeräumt, vielleicht etwas schüchtern aber irgendwie doch ein ganz normales Kind. Bei dem Vater sogar ein erstaunlich gut erzogenes Kind, möchte man meinen. Natürlich war er damals noch etwas jünger, er hatte noch nicht die Groundhopping-Erfahrung von heute, aber eine Fahrt mit der KVB vom Barbarossaplatz zum Gottesweg, das kann ja durchaus schon mal schlimmer sein, als auf Eseln durch Bergkarabach zu reiten. Während des Tages wurde er munterer, er erzählte auch ein paar Dinge und fing später, nach dem Spiel, im Clubheim, wo es brechend voll war, an, mit einem Ball zu spielen. Was Kinder halt so machen, wenn ihnen langweilig wird. Allein mit diesen Eindrücken habe ich Jason als höflichen Jungen kennengelernt, der vielleicht nicht Mainstream ist, aber auch das muss ja nicht zwangsläufig eine negative Eigenschaft sein.

Aber im Leben ist es halt nicht immer nur schwarz und weiß. Es gibt Höhen und Tiefen und ganze Schluchten. In meinem Leben, in eurem Leben und eben auch in Mircos und Jasons Leben. Der Unterschied zwischen mir und Dir ist, dass Mirco jetzt ein Buch darüber geschrieben hat. Über die Reisen, die er mit seinem Sohn seit ein paar Jahren unternimmt. Zum Fußball, zu Konzerten, zu sozialen Ereignissen.

In seinem Blog lässt uns Mirco schon seit Jahren teilhaben an diesen wortwörtlichen Trips abseits jeder Routine. Und weil das Buch die logische Konsequenz des Blogs ist, heißt das Buch genauso: “Wir Wochenendrebellen”. Mirco nimmt uns mit auf die Reisen, die er mit Jason unternahm, wir lernen die Regeln des jungen Manns kennen, die häufig eine reflektierte soziale Verantwortung erkennen lassen, über die wir uns gar keine Gedanken mehr machen. Es darf z.B. kein Essen weggeschmissen werden. Was auf dem Teller ist, wird gegessen. Und wenn Jason satt ist und es noch Reste gibt, dann muss Mirco halt herhalten. Immer noch besser der Papsi hat Bauchschmerzen, als dass das Essen verkommt. Das ist nur ein Beispiel, glaubt mir, wenn ihr darüber nachdenkt, macht vieles, was Jason als “Regel” aufgestellt hat, ziemlichen Sinn. Es ist eben nicht alles sofort und unumstößlich umzusetzen.

Von diesen alltäglichen Herausforderungen erzählt das Buch. Wir erfahren eine Menge über Asperger-Autismus, über das Leben mit selbigem, nicht nur von Jason, sondern auch von der Familie. Wir erleben manche Situationen vor unserem geistigen Auge mit (jeder der mal auswärts gefahren ist, kann sich in praktisch jedem Kapitel wiedererkennen, denn – lasst uns ehrlich sein – was haben wir nicht alles schon für Geschichten erlebt. Nur, wir waren und sind erwachsen. Jason wächst erst. Und sein Vater mit ihm. So ergibt sich auch zeitlich eine wunderbare Entwicklung, von der Idee, geboren bei einem eher zufälligen Besuch eines BVB-Spiels, den Lieblingsverein zu finden, bis hin zum aufgeschobenen Ende, dass, um dieses Ziel zu erreichen, wohl irgendwann die lettische fünfte Liga besucht werden muss. Da wird eben auch Fußball gespielt und wie sonst soll man sich für (s)einen Verein entscheiden, wenn man nicht alle kennt? Ist doch logisch.

Wir werden mitgenommen nach Aue und Sankt Pauli, lernen den betrunkenen Friedel kennen und – für viele von Euch wird es das erste Mal sein – gucken beim VfR Aalen gegen Sandhausen vorbei. Alles in einem höchst unterhaltsamen, aber nie unverbindlichen Ton geschrieben, mit wechselnden Blickwinkeln und spannenden Einblicken in ein gutes und glückliches Leben. Das Buch ist ein Mehrwert, liebe Leute, kauft es Euch, es macht großen, großen Spaß. Und das schreibe ich nicht, weil ich Mirco und Jason mag, sondern weil es stimmt.

Über die Homepage gibt es die Möglichkeit, das Buch über diverse Händler zu bestellen, das solltet Ihr unbedingt auch so machen, denn die Provision, die Mirco und Jason von diesen Händler bekommen, geht direkt an die Neven-Subotic-Stiftung. Ihr tut also auch noch etwas Gutes dabei.

Los. Es lohnt sich.

Wir Wochenendrebellen: Ein ganz besonderer Junge und sein Vater auf Stadiontour durch Europa
von Mirco von Juterczenka
Benevento, 2017

1 comment to Buchtipp: Wir Wochenendrebellen

Haut rein, schreibt mir was!