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FC – Freiburg: Das Schweigen der Lämmer

It was… screaming. Some kind of screaming, like a child’s voice.
What did you do?
I went downstairs, outside. I crept up into the barn. I was so scared to look inside, but I had to.
And what did you see, Clarice? What did you see?
Lambs. The lambs were screaming.
They were slaughtering the spring lambs?
And they were screaming…

You still wake up sometimes, don’t you? You wake up in the dark and hear the screaming of the lambs.

20 Jahre ist es her, dass der 1.FC Köln die Tabellenführung der 1. Bundesliga inne hatte. 20 Jahre, gekennzeichnet durch Misswirtschaft, Größenwahn und bitterste Stunden. Abstiege und Pleiten, nur unterbrochen vom Korrektiv des Aufstiegs. 20 Jahre voller Angst, Sorge und schließlich Gewissheit, dass es nie wieder so kommen wird wie Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, als der effzeh Meisterschaftspotential hatte. 20 Jahre voller Hohn und Spott und Faxgeräten. Aber auch 20 Jahre gelebter Zweckoptimismus. Wir sind der 1.FC Köln. Wir sind größer als all die anderen Scheissclubs da draussen. Irgendwann kommen wir wieder und irgendwann werden wir -und wenn es nur für eine Nacht ist- die Nummer Eins im Land sein.

Es ist der dritte Spieltag der neuen Saison und das Team von Peter Stöger hat gerade den SC Freiburg mit 3:0 zurück in den Breisgau geschickt. Die Tabelle hat noch genau gar keine Aussagekraft, die Meisterschaft ist, so traurig das auch ist, noch nicht entschieden. Und doch ist etwas passiert, was uns überbrodeln lässt. Nach 20 Jahren. Der 1.FC Köln ist neuer Tabellenführer der ersten Fußball-Bundesliga.

Heute ist unsere Nacht, vielleicht erleben wir nie wieder eine solche.

Wenn ich durch mein ganzes Fanleben scrolle, bemerkenswerte Erlebnisse durchgehe, Erfahrungswerte summiere und dann vor dem Spiel durch die sozialen Medien klicke, wo der Ausgang des Spiels schon beschlossene Sache schien, so war mir eigentlich völlig klar: Leute, das ist der effzeh. Wenn alles normal läuft, kassieren wir in der 93. Minute das 0:1 und alles hängt wieder in tiefsten grauen Wolken gefangen. Die Stadt wird am Samstag nur widerwillig aufwachen, Hunde werden auf die Gehwege scheissen und die Spatzen werden bitter klagen von den Dächern. Es konnte eigentlich nur so kommen.

Zu viel sitzt da fest im Kopf, zu viele Enttäuschungen, zu wenig Vertrauensvorschuss. Ich kann dem Club immer noch nicht glauben, dass er es ernst meint. Seit Peter Stöger und Jörg Schmadtke übernommen haben deutet zwar alles darauf hin aber in der letzten Ecke meines Hirns sitzt immer noch eine Miniaturausgabe von Christian Dollberg und schlägt mit einem großen, stumpfen Löffel gegen die Schädeldecke: Es ist immer noch der effzeh! Sie werden einen Weg finden dich kaputt zu machen. Hör doch endlich auf zu hoffen, es ist immer der effzeh.

Pustekuchen.

Heute nicht. Heute ist unsere Nacht!

Die Art und Weise wie der effzeh heute die Tore erzielte, muss ein Indikator sein, dass wir es wirklich mit einem neuen Verein zu tun haben. Als nach einer halben Stunde Tony Modeste nach einer Risse-Ecke die Führung besorgte, war das schon ein kleines Wunder, dann setzt sich Osako eine Minute später auch noch körperlich durch und das 3:0 gelingt dann wieder Modeste nach einem Einwurf. Zwei Standardsituationen und eine feine Einzelleistung von Osako. Herr Lynch bitte schreiben sie doch nicht dauernd so einen Quatsch, wer soll denn da noch mitkommen. Wenn Peter Stöger beim Halbzeitpfiff auf ein Einhorn gestiegen wäre um in die Kabine zu reiten, hätte das den Abend nicht sonderlich bizarrer gemacht.

Die zweite Halbzeit verbuchen wir unter “ökonomisch”, am Mittwoch geht es ja direkt weiter. Vielleicht sagt diese zweite Halbzeit aber viel mehr über den “neuen” FC aus, als diese Anhäufung von Sondermomenten in der ersten Hälfte. Es bestand weiter Grundordnung, es wurde nicht euphorisch gespielt, sonder weiter abgeklärt, einem einzigen großen Plan folgend. Es wurde weiter von Dreier- auf Fünferkette gestellt, das Zentrum wurde weiter verdichtet und die Freiburger wurden weiter laufen gelassen. Kräftesparend, souverän und zweckbestimmt. Ein wenig Glück kam dazu, denn der SC hatte schon die ein oder andere Gelegenheit wenigstens das Anschlusstor zu erzielen aber erstens haben wir Timo Horn im Tor stehen und zweitens kann man (wenn man nicht so gestörte Ängste wie ich hat) durchaus davon ausgehen, dass die Mannschaft auch durch ein Gegentor nicht auseinander fällt, sondern das Spiel dann wieder aktiver angehen wird.

Aber Freiburg musste heute auch eingestehen: Nein, der 1.FC Köln hat das Spiel nicht unverdient gewonnen. In den entscheidenden Momenten waren sie einfach da. Haben die Duelle die zählen gewonnen. Wie sagte Freund Andreas heute morgen, als Hanley Ramirez den Homerun zum 7:5 Sieg der Red Sox gegen die Yankees schlug so schön: “Da sein wenn’s zählt. Kannste nicht lernen!”

Heute sind 20 Jahre weggeblasen worden. Von einer Mannschaft, die das tat, was ihr aufgetragen wurde. Die da war als es zählte. Die nicht im entscheidenden Moment scheiterte. Ihr Nicht-Kölner macht euch vielleicht keine Vorstellung, was eine Niederlage bedeutet hätte. Sie wäre auf dem Papier höchst undramatisch gewesen aber sie hätte wieder ein kleines Stück in uns Fans sterben lassen. Wir hätten gewusste: Nichts hat sich getan, der effzeh ist immer noch der effzeh und wenn es drauf ankommt, wird er einen Weg finden uns mit Anlauf in der Arsch zu treten.

Heute nicht. Heute ist unsere Nacht! Es ist jetzt 23:25 Uhr und ich habe noch etwa 18 Stunden Tabellenführung vor mir. 18 Stunden, die mir niemand nehmen kann und die vielleicht die letzten Stunden Tabellenführung sein werden, die wir alle als Fans des 1.FC Köln je miterleben werden. Darum lasst es uns genießen.

Heute ist unsere Nacht!

Die Lämmer haben aufgehört zu schreien.

16.09.2016

16.09.2016

Come on effzeh!

 

1 comment to FC – Freiburg: Das Schweigen der Lämmer

Haut rein, schreibt mir was!