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FC – VfL Wolfsburg: Zufriedenheitsdilemma

Vier Minuten? VIER MINUTEN? Was zur Hölle? Als die Nachspielzeit bekannt gegeben wurde, waren 60 Minuten sehr gutes Spiel des 1.FC Köln vergessen. Kein Gedanke mehr an den unglücklichen Ausgleich der Wolfsburger. Sechs Minuten war das erst her und doch eine gefühlte Ewigkeit. Seien wir ehrlich: Wir wollten den Punkt retten, wir wollten das es vorbei ist. Und dann gibt es vier Minuten Nachspielzeit? Herzrasen wären ein Understatement. Als das Spiel dann endlich abgepfiffen wurde, wir mit Hilfe von Timo Horn und dem Gestänge das Unentschieden in trockenen Tüchern hatten, musste ich erstmal kurz in den Garten und die Familie Reemtsma glücklich machen. Selten hat ein Spiel so an mir gezehrt. Wir haben den zweiten Spieltag der neuen Saison. Herzlichen Glückwunsch an mein Herz.

Die Vorzeichen waren gut. Nach dem Sieg in Stuttgart war der erste Druck weg, mit Wolfsburg kam eine vermeintliche Spitzenmannschaft nach Müngersdorf, das Ergebnis machte mir so gegen fünfzehn Uhr zweiundzwanzig noch keine großen Sorgen, denn eigentlich wollte ich nur sehen, welchen Plan die Mannschaft hat, wie man mit Bas Dost oder dem belgischen Kevin-Kind umgeht, wie man gegen einen Gegner, der -auf dem Papier- sicher nochmal eine Nummer stärker ist als der VfB Stuttgart umgeht. Natürlich, ganz klammheimlich, ganz im stillen, hofft man immer auf Zählbares aber ich redete mir ein, dass das unwichtig sei. Ich Narr.

Der effzeh begann schwungvoll, fast überraschend aktiv. In der Wolfsburger Hälfte wurde der Gegner früh unter Druck gesetzt, Simon Zoller (zu dem wir gleich noch kommen werden…) und Anthony Modeste gingen auf den ballführenden Spieler, Risse und Bittencourt stellten die Außenbahnen so ca. 10 Meter vor der Mittellinie zu und in der Mitte wachte Matze Lehmann auf Pässe die ins Zentrum gespielt werden konnten. Dadurch wurde Wolfsburg zu vielen ertragslosen Kurzpässen genötigt, die nicht immer hundertprozentig nach europäischer Spitz aussahen. Das einzige Mittel was den Wölfen einfiel, war dann der lange Ball auf Dost, der aber mit Sörensen einen direkten Gegenspieler hatte, der keine Lust auf Spielchen hatte.

Das sah schon mal gut aus, war aber nur die eine Seite des kölschen Taktikreigens, denn wenn Wolfsburg doch mal über die Mittellinie gekrochen kam, änderte sich das Abwehrverhalten blitzschnell. Modeste wurde von allen Aufgaben entbunden, blieb im Zentrum um eventuell in der Nähe einschlagende Befreiungsschläge anzunehmen, Zoller wurde zurückgezogen und die gesamte Mannschaft formierte zwei massive Viererketten ca. 30 Meter vor dem eigenen Tor. Das ist ein Mittel, mit dem Peter Stöger schon letzte Saison spielen ließ aber die Tatsache, dass das so flexibel und reibungslos umgesetzt wurde, sobald eine bestimmte Reizsituation eintrat, zeigt wieder, dass der effzeh den nächsten Schritt schon gegangen ist, wir es nur noch nicht komplett mitbekommen haben. Das war ganz, ganz großartig.

Genauso wie das schnelle Umschaltspiel bei Balleroberung eigentlich ganz gut funktionieren hat. Immer wieder wurde der direkte Weg gesucht, wobei das Konterspiel eigentlich recht eindimensional war, denn der Spielzug wiederholte sich: Balleroberung, Paß in die Mitte zur Verteilstation, schnelle Vorstöße auf den Bahnen, schneller Versuch in den Lauf. Das ist die Blaupause. Modeste war in diesem Fall der Joker, weil er immer anspielbar war, Abwehrspieler wie Kletten band und dennoch (meistens) mit enormen Körpereinsatz den Ball behaupten konnte. Dadurch wurde das Spiel des effzeh für Hecking nicht ausrechenbar, sondern er musste sicher stellen, dass sowohl Modeste, als auch die Außen versorgt wurden, wodurch sich natürlich kleinere Lücken bzw. Unsortierungen in der Abwehrkette -wenn man sie denn so nennen mag- ergaben, die dann durch Zoller penetriert werden konnten.

Ehrlich? Das Spiel des effzeh kommt mir schon sehr reif vor. Sehr ernsthaft. Fast sachlich. Und das ist zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht erwartbar gewesen. (Jedenfalls für mich als Außenstehenden nicht. Wie das intern bewertet wird steht auf einem anderen, mir nicht zugänglichen, Blatt aber ich tippe schwer, dass Peter Stöger nicht komplett vor Wut ausgerastet ist, als er die Mannschaft nach dem Spiel sah).

Wo war ich? Ach ja: Simon Zoller.

Hmm.

Ich gebe es gerne zu: Bisher macht er einen guten Job. Fleißig, hohe Laufbereitschaft, keinen Zweikampf scheuend. Sehr gut. Das Tor war Zucker, die vergebenen Chancen in der zweiten Halbzeit teilt er sich mit Modeste, das passiert, das kann man nicht negativ auslegen. Hauptsache Chancen werden kreiert. Aufmerksame Leser des Blogs oder Hörer des Bockcast wissen, dass ich persönlich nicht unbedingt begeistert von der Rückkehr Zollers zum effzeh war, weil ich die Flucht im Winter unwürdig fand und er mich in seinem ersten Anlauf in Köln nicht davon überzeugt hat, dass die drei Millionen nach Kaiserslautern eine gute Investition waren. Das mag ungerecht sein aber ich bin Fan, ich darf ungerecht sein. Für mich war er einer dieser Millionengräber mit denen wir die Pfälzer in schöner Regelmäßigkeit subventionieren. Aber, er scheint sich weiterentwickelt zu haben. Ich sehe keine Pomadigkeit, kein Phlegma und das ist erstmal das, was zählt. Dass er ab und an noch Probleme mit der Ballannahme hat und wohl auch manchmal etwas zu viel will, sind Luxusprobleme, die im täglichen Training rausgeprügelt werden können. Die bisherigen Auftritte sind jedenfalls überzeugend und (hier kommt wieder Peter Stöger ins Spiel) die Entwicklung und Einstellung stimmt. Gefällt mir.

Ich wünsche uns allen, dass Zoller mich mit allen Prognosen Lügen straft.

Zum Spiel zurück: Natürlich kannst du in der zweiten Halbzeit den sprichwörtlichen Sack zumachen. Vielleicht musst du das sogar aber das ist halt so. Der effzeh ist keine Spitzenmannschaft, wir müssen um jeden Zentimeter Boden kämpfen und es gibt keinen Automatismus, der uns Tore am Fließband erzielen lässt. Wir gehen immer noch in Babyschritten durch den Fußball, das dürfen wir nie vergessen.

Eine Sache, die mir am Samstag nicht gefallen hat und die ein ums andere Mal die Wolfsburger ins Spiel brachte, konnte man schon in Stuttgart beobachten: Timo Horns Spieleröffnung. Für meinen Geschmack viel zu risikoreich. Mir ist schon klar, dass das Teil des Plans ist schnell viel Raum zu überbrücken aber es passt nicht immer alles. Oft setzt Timo mit den harten Würfen die eigenen Spieler unter Druck, die den Ball ja mit dem Rücken zum eigenen Offensivspiel annehmen müssen und damit erstmal beschäftigt sind. Kommt dann noch ein pressender Gegenspieler in den Raum, wird es direkt gefährlich, weil die Bewegung des Gegeners ja Richtung Horn geht und unsere eben nicht. Eventuell spielt sich das im Laufe der Saison ein und es werden gewisse Automatismen erarbeitet, die die Eröffnung blind ablaufen lassen aber im Moment sind das jedensmal Herzaussetz-Momente. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu sensibel…

Über das Gegentor und die anschließenden Chancen von Wolfsburg das Spiel doch noch zu gewinnen, könnt ihr im Kicker lesen, mir reicht es, dass der effzeh über 60,65 Minuten einer deutschen Spitzenmannschaft das Leben unglaublich schwer gemacht hat, enorm hohen Aufwand betrieb und auch in den Druckphasen weiterhin all die Leidenschaft, den Kampf und den “Spirit” an den Tag legte, nach dem wir uns in Köln so lange gesehnt haben. Ist das keine schöne Nachricht? Das Ergebnis ist jetzt, am Sonntag, schon wieder zweitrangig aber ein ganz klein bisschen stolz können wir schon sein. Genauso wie die Mannschaft.

Nächste Woche geht es gegen den HSV, der am Samstag in einem bizarren Spiel gegen Stuttgart gewonnen hat. Außerdem wurde durch die NASN herausgefunden, dass der Mond aus Blauschimmelkäse besteht. Nach diesem Start, nach den beiden Spielen, die wir vom effzeh gesehen haben, nach den beiden Spielen vom HSV kann man schon damit rechnen, dass der 1.FC Köln bei den Buchmachern als Favorit geführt werden wird aber wir sind ja gebrannte Kinder. Der effzeh ist der effzeh, ist der effzeh. Nichts wäre logischer als wenn wir nach diesem Start gegen den HSV aufs Maul bekommen aber vielleicht ist es ja wirklich eine neue Zeit. Jedes Ergebnis, jede Entwicklung in der Mannschaft deutet darauf hin aber tief in uns drin sitzt der skeptische fette Mann der schreit: Lasst alle Hoffnung fahren, es ist der effzeh! Zeit ihm den Mund zu stopfen.

Come on effzeh!

3 comments to FC – VfL Wolfsburg: Zufriedenheitsdilemma

  • Max

    Genau der fette Mann sitzt bei mir auch und schreit.
    Ich hab die glorreichen Zeiten nicht erlebt. Ich kenne nur auf die Fresse.
    Aber wat willste maache. Ich freu mich über die Punkte. Nach 2 Spieltagen schon 10% vom Saisonziel 🙂

  • Martin

    Kann verstehen, dass du sagst unter Stanislawski hättest du keinen Bock gehabt dem FC zuzuschauen, aber man darf nicht seinen Anteil an der Zusammenstellung unserer Mannschaft außer Acht lassen. Es war seine Entscheidung Wimmer, Ujah und Lehmann zu holen, außerdem hat er Hector und Horn aufgestellt. Ich glaube im letzten oder vorletzten Podcast hast du es aber zumindest bei Hector und Wimmer so dargestellt als wäre ihre Entwicklung alleinig Stögers Verdienst. Das solltest du vielleicht mal richtig stellen, aber sonst echt unterhaltsamer Podcast. Bin sehr froh, dass ich darauf gestoßen bin !

  • […] fundiertere Meinungen gibts bei: effzeh.com Der vierte Offizielle Bockcast (lustig, dass der Gast aus Boston mehr kölsche Euphorie entfacht, aber der kölsche […]

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