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FC – Wolfsburg: Maybe we have a little bit lucky

Am Ende gab es für die Südkurve in Müngersdorf kein Halten mehr. “Und dann fahren wir nach Mailand, um den effzeh Köln zu sehn…” hallte es minutenlang und mit ohrenbetäubender Lautstärke durch das Stadion. Längst hatte auch die anderen Himmelsrichtungen in den Chant mit eingesetzt, Schals flogen in den Kölner Vorabend-Himmel, es gab kein Halten mehr. Der VfL Wolfsburg hat noch einmal den Ball, es läuft die 94. Spielminute. Auf rechts, eine letzte Flanke in den Strafraum, ein letzter kurzer Herzinfarkt-Moment, dann begräbt Thomas Kessler den Ball sicher unter sich und 48.000 Fäuste-Paare ballen sich zusammen. Abpfiff, Feierabend, Mailand. In Kölner Reisebüros knallen die Sektkorken.

Mit seinem 15. Saisontor, diesmal vom Elfmeterpunkt, schießt Tony Modeste den effzeh auf den… ja, auf welchen Platz schießt er uns? Wahrscheinlich bleibt es beim siebten Tabellenplatz, weil einfach alle vor uns auch gewonnen haben. Hertha, Hoffenheim, Dortmund, heute spielt noch die Eintracht gegen Darmstadt und alles andere als ein klarer Sieg der Frankfurter wäre schon eine ziemliche Überraschung. Damit ist der Tabellenstand unverändert aber der Abstand nach unten bleibt wenigstens auch mindestens gleich (Freiburg) oder beträgt nun schon extrem lustige acht Punkte auf Leverkusen, die sich am Freitag in Hamburg präsentierten wie Kellyanne Conway in einem TV-Interview. Dazu kommt die Gewissheit, dass 32 Punkte wohl jetzt schon reichen werden um die dieses Jahr die Klasse zu halten. Diese am 19. Spieltag auf dem Konto zu haben ist nichts anderes als die bisher beste Saison seit 27 Jahren. Seit gottverdammten 27 Jahren! Da war ich 14, der 1.FC Köln wurde in der Saison 1989/90 Vizemeister, der Europapokal war jedes Jahr ein fester Bestandteil in der Jahresplanung meines Clubs und ich sah nicht kommen, dass es einmal nicht so sein würde.

27 Jahre!

Herrgott. Die Hälfte der heutigen Stadiongänger war nicht mal geboren. Eine große Anzahl Fans hat noch nie im Leben eine bessere Saison des 1.FC Köln gesehen. Was für die etwas älteren Menschen 1978 ist, was für mich 1983 ist, ist vielleicht für diese Klientel 2017? Erleben wir ein Annus mirabilis? Ist es wirklich dieses Jahr soweit?

Ich will mich immer noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen aber die Mannschaft macht es mir schwer nicht an sie zu glauben. Selbst gestern, als in Strafraumnähe wirklich nicht viel ging, hat sie mich mitgenommen. Der Druck auf Wolfsburg war eigentlich über das gesamte Spiel konstant, es wurde wunderbar gegen den Ball verteidigt, die Mitte war praktisch immer zu, Gomez wurde komplett aus dem Spiel genommen und auch wenn ich zwei Chancen für den VfL zähle, ist das -gemessen an den Namen in dieser Mannschaft- nicht wirklich viel.

Es gab genau eine Phase im Spiel, es muss die 55. – 65. Minute gewesen sein, in dem der Gegner etwas mehr Zugriff hatte. Mir kam es so vor als hätte uns Wolfsburg eingeschläfert mit ihrer Art des Ballvortrags. Ein paar Abspielfehler, ein paar ungenaue Laufwege, Missverständnisse und dann baut sich das auf wie eine Welle. Kleine Fehler führen zu weiteren kleinen Fehler, alles summiert sich und auf einmal ist der Wurm drin und niemand weiß genau warum. Aber auch hier zeigt sich die neue Qualität meines Lieblings-Fußballvereins: Sie haben die Fähigkeit zu vergessen. Der letzte Angriff war scheisse, egal, der nächste wird besser. Ich habe mittlerweile echt das Gefühl, dass ich der Mannschaft vertrauen kann. Dass sie an sich selbst glaubt, dass sie von ihrer eigenen Stärke überzeugt ist. Dass sie es will. Und kann.

Dazu kommen Spielzüge, die eines modernen Fußballs absolut würdig sind. Das Tempo über die teilweise die Vorträge über links (Rausch & Bittencourt) vorgetragen werden ist (immer vor dem Hintergrund unserer Geschichte) atemberaubend auch wenn gerade Bittencourt im Moment noch manchmal den Eindruck eines Wile E. Coyote macht und die Wand gegen die er in drei Sekunden laufen wird nicht sieht. Das sind aber Feinabstimmungen. Wichtig ist erstmal, dass das Tempo da ist, dass das Selbstvertrauen da ist, denn nur so kannst du aufbauen. Aber nicht nur im Vorwärtsgang ist der effzeh eine solide Nummer, nach hinten ist der Verein ebenfalls immer noch prächtig aufgestellt. 16 Gegentore in 19 Spielen (dabei die 4 in Sinsheim nicht vergessen) sind ein absoluter Spitzenwert. Bayern hat 12, Frankfurt 15 und dann kommt schon der effzeh. Das Fundament auf dem Peter Stöger seine Kathedrale baut ist immer noch solide und gibt nicht nach. Da kann man auch mal Thomas Kessler loben, der einen unaufgeregten Horn-Ersatz abgibt und insgesamt eine feine Serie spielt. Gefällt mir gut.

Ich glaube wirklich, dass die Mannschaft als ganzes unser größter Faustpfand ist. Die Geschlossenheit aber auch der geringe Leistungsabfall innerhalb er einzelnen Mannschaftsteile ist ein enormer Vorteil. Ob nun z.B. Dominic Maroh oder Frederik Sörensen spielt, ist anscheinend kein großer Unterschied mehr. Auch hier geht der Gruß an die Spieler-Entwicklungs-Künste von Peter Stöger. Was ich seit Jahren sage: Er macht Spieler besser. Er verwaltet nicht nur eine Mannschaft, er entwickelt sie. Wahnsinnstyp.

Natürlich haben wir auch ein paar Säulen im Team, die ich nie missen möchte: Tony Modeste mit vielleicht der Saison seines Lebens, Marco Höger, der sich um absoluten Führungsspieler entwickelt hat, Jonas Hector, der läuft wie ein Duracell-Häschen und dabei auch spielerisch besser wird. Das sind Eckpfeiler die du aber auch als junges Bundesligateam brauchst, die dir die Sicherheit geben auch mal ins Risiko zu gehen, weil du weißt, da ist jemand, der dich im Zweifel auffängt, der dir hilft.

Ach, ich weiß doch auch nicht, es macht einfach viel zu viel Spaß im Moment.

27 Jahre!

Über den Elfmeter müssen wir auch gar nicht groß reden, im ersten Moment war es für mich keiner (allerdings auch keine Schwalbe!), sondern ein Kampf um den Ball, bei dem Benaglio vielleicht eine Zehntelsekunde zu spät kommt und dabei Modeste berührt, der das annimmt. Nach siebenhundertzweiundzwanzig Zeitlupen kann man den Elfer dann vielleicht doch eher geben, weil der Torwart schon recht klar auf Tonys rechten Fuß haut aber gut, was soll ich da jetzt analysieren? Tun wir es unter “zum Glück war es für uns” ab und freuen uns, dass Modeste den Ball ins Netz geschossen hat.

Und denken dabei an Mailand.

Am Dienstag geht es für den effzeh weiter im DFB-Pokal. Natürlich auswärts. Natürlich in Hamburg. Ich werde da sein. Ich habe noch nie eine Niederlage des 1.FC Köln in Hamburg gesehen. Weder im Volkspark, noch in der Arena, noch am Millerntor. Mal schauen ob die Serie hält.

Zum letzten Mal im DFB-Pokalfinale stand der 1.FC Köln am 22.06.1991. Mucki Banach gleicht aus, Elfmeterschießen, Litti scheitert an Reck…

Es wird Zeit.

Come on effzeh!

3 comments to FC – Wolfsburg: Maybe we have a little bit lucky

  • Tom the Knowing

    Hi Axel!
    Ich stimme Dir 1000% zu. Ich Trottel habe mich im letzten Moment dagegen entschieden ins Stadion zu gehen: “Nää, iss kalt und Ende verliere wir een Scheißspiel 0:1” Tja, von wegen. Für einen Freudentanz um mein Sofa hat’s dann doch gereicht. Der Elfmeter war diskutabel, aber wenn ich mir die permanenten Fehlentscheidungen der letzten 2 Jahre gegen den FC besehe, bin ich geneigt von ausgleichender Gerechtigkeit zu sprechen.
    Egal! Das ist der beste FC seit Littbarski, Häßler & Co.; die Jüngeren kennen das ja gar nicht mehr. Wie geil!
    So und jetzt mach’ ich mir einen Kaffee und buche Tickets nach Mailand…

    Come on effzeh!

  • […] Hier übrigens noch ein schöner Beitrag im @Lostinnippes  der Vierte Offizielle Blog […]

  • Jürgen

    Das mit dem Spiel unterschreibe ich, das sieht immer mehr nach Fussball aus. Erstaunlich was manche Spieler für eine Reife und Abgeklärtheit im Spiel zeigen. Vor allem daher, das die Mannschaft eigentlich zu 90% aus eher “mittelmässigen” Spielern besteht und genau hier zeigt sich die Stärke des Trainerteams. Daraus eine siegfähige Truppe zu bauen die immer noch in der Lage ist, sich weiter zu entwickeln, das ist es was einen ordentlichen Trainer auszeichnet und ja, so einen wie den Stöger hatten wir hier sehr lange nicht mehr.

    Wenn du die älteren Fans hier ansprichst, genau daher rührt dieses Anspruchsdenken das jahrzehntelang herrschte. Du wächst mit einem Verein auf für den der 7.Platz in der Liga eher eine Enttäuschung war, der sich in diversen internationalen Cups (also die richtigen, nicht die in Florida) mit Vereinen wie Real, Juventus, Rangers, Barca etc. duellierte, für den ist es eben schwer eine knappe Niederlage in der zweiten Liga gegen Paderborn als gutes Spiel zu würdigen. “Mer sin doch der FC, die müssen wir weghauen” so hörte sich das in der vollgestopften Bahn nach jedem Spiel an. Das hatte mit der Realität nichts zu tun, rührte aber daher das es mit dem effzeh bergab ging, als das dicke Geld scheffeln im Fussball begann. Diesen finanziellen und sportlichen Rückstand hat unser Verein, der als erster überhaupt in Deutschland professionelle Strukturen hatte, nie auch nur annähernd wieder aufholen können. Das ist ein langer Weg und das erste Mal seit langer langer Zeit habe ich die Hoffnung das längerfristig was draus wird.

    Das Potential im Umfeld und der Rückhalt in der Stadt ist nicht schlechter als in Dortmund oder auf Schalke. Endlich Leute am Ruder die wissen, wie heute ein Profiverein geführt werden muss. OK, manchmal fehlen schon die Geschichten von Gleisen, Kofferräumen und angeblichen Sponsoren aus Zypern, aber dafür gewinnen wir und haben unseren Spass beim Fussball. Also ich möchte nicht mehr tauschen…

Haut rein, schreibt mir was!