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Frankfurt – FC: Murmeltiertag

Früher waren die Spiele in Frankfurt eher ganz gut, wer den letzten Eintracht-Podcast gehört hat, kennt meine Geschichte zum 5:1 des effzeh im alten Waldstadion. Ich fuhr ganz gerne an den Main, weil es ein Old-School-Fußballspiel versprach, zwei große Fangruppen, die sich nicht sonderlich mögen, zwei Mannschaften, die seit Dekaden ihren Erfolgen hinterherhecheln und meistens ein guter Ausgang für den effzeh.

Tja, das Blatt hat sich gewendet. Den letzten Sieg in Frankfurt holten wir 2011, seitdem gab es dort nichts mehr zu holen. Wird die Eintracht unser neues Kaiserslautern?

[Einschub] Wir schauten gestern im TV kurz die Zweitliga-Konferenz und waren angemessen schockiert als die Bilder aus Lautern über den Bildschirm flimmerten. Gegen Union Berlin und das Stadion sieht aus als sei es Kulisse für eine Dystopie, für einen Blick in die Zukunft des modernen Fußballs. So leer, so unwirklich. Jetzt ist es kein großes Geheimnis, dass der 1.FCK nicht mein Lieblingsverein neben dem effzeh ist aber das tut selbst mir weh, wenn diese frühere Festung Betzenberg, was sie unbestreitbar war, langsam aber sicher verrottet, wenn sich niemand mehr für sie und den in ihr spielenden Verein interessiert. Das liegt natürlich an jahrelanger Fehlwirtschaft, am internen Dilettantentum etc. aber letztlich ist ja egal was die Krankheit ausgelöst hat, jetzt ist sie da und sichtbar ausgebrochen. Ich hoffe tatsächlich dass noch ein Gegenmittel gefunden wird, denn ich hab doch lieber einen Spieltag, wo ich morgens schon mit Hass aufwache, weil ich weiß dass mich der Fußball heute packen wird wie nichts gutes, statt so belanglose Scheiße wie sie uns heute in der Bundesliga an 26 von 34 Spieltagen vorgesetzt wird.

Zurück zum Thema: Also, ich fahr’ nach Frankfurt weil ich mich mit Basti verabredet hatte, weil ich ein paar Leute wiedersehen bzw. kennenlernen wollte, die ich nur über soziale Medien kenne, weil ich mich schon ein wenig auf das Spiel gefreut habe, auf die Atmosphäre im neuen Waldstadion, auf ein gutes Spiel zwischen zwei Mannschaften, die deutlich über den Erwartungen in die Saison gestartet sind, weil ich gespannt war wie Peter Stöger gegen das enorm aggressive Heimspiel-Pressing der Eintracht antreten lässt und… naja, das sind ja Gründe genug.

Nach einem beherzten Frühstücksbierchen im Hause Red traf ich vor dem Spiel ein paar Frankfurter, mit denen ich ausnahmslos freundlich und ungezwungen reden konnte, nette Leute, mit denen ich jederzeit wieder ein Bier trinken würde. Besondere Grüße an dieser Stelle an GonzoSGE SGE_Gonzo, Der Vatta und s’Nadinsche.

Leider sahen ein Teil der Frankfurter und Kölner Ultras / Hools die Vor-dem-Spiel-Aktivitäten etwas sportlicher als ich, man hörte von ca. 400 Personen, die sich in Alt-Sachsenhausen einen modernen Fünfkampf geliefert haben sollen. Scheint mittlerweile auch Tradition zu werden. In Köln ging es auf die Zülpicher Strasse, in Frankfurt in die Kleine Rittergasse. Man redet ja nicht umsonst von Amüsier-Vierteln, ne? Junge, Junge…

Die Konsequenz aus diesem Treffen durfte dann im Stadion erlebt werden. Eine hyper-aggressive Polizei, die ohne Rücksicht auf Verluste durch alles durchrotzte, was im Weg stand. Ein konkretes Beispiel, was ich aus ca. 2 Meter Entfernung miterleben durfte: Vor dem Auswärtsblock (20), standen um 17:50 Uhr ca. 300 Menschen um entweder Einlass zu begehren, auf Toilette zu gehen, ein Bier oder eine Wurst zu kaufen, eine Zigarette zu rauchen, sich zu treffen, zu quatschen, was auch immer. Wie vor jedem Spiel, in jedem Stadion dieser Welt. Es war eine völlig entspannte Situation, Eintracht Fans liefen in ihren Farben ohne Probleme vorbei bzw. durch die Kölner Fans, es gab keine Provokationen oder sonst irgendwas. Auf einmal, wie aus dem Nichts, kommt die schwarz uniformierte Kampftruppe angerannt, pflügt durch die Massen, die am Eingang standen und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Leute die die Treppen heruntergefallen sind (zum Block muss man aus dem Stadionumlauf ein paar Treppenstufen hoch, da standen natürlich auch Leute. Die lagen jetzt größtenteils am Boden), mindestens ein weinendes Kind (Mädchen, ca. 7 Jahre alt), wobei ich nicht weiß was ihr passiert ist, sie sah nicht verletzt aus. Auf dem Boden lagen überall Bierbecher und angefressene Würste und überall entsetzte Gesichter. Als sich die Situation nach ca. 2 Minuten wieder einigermaßen beruhigt hatte, ging das gleiche Spiel in entgegengesetzter Richtung wieder los. Die Polizei kam aus dem Block, hatte einen Kölner Fan am Schlafittchen, pöhlte wieder durch alles durch, was nicht bei drei auf dem Baum war um eben jenen Kölner Fan am Stadionumlauf zu verhaften. Die Aggression, die Rücksichtslosigkeit, die dabei von den Beamten an den Tag gelegt wurde, habe ich so seit langer, langer Zeit nicht mehr erlebt. Es spielte überhaupt keine Rolle ob Kinder oder Frauen im Weg standen. Man muss sich das wie einen sehr unlustigen “Wir-sind-dumm-wir-rennen-alle-um”-Mob vorstellen. Wie die Römer, die zum Antreten gegen die Gallier gerufen werden. Es war eine Situation, die mich fassungslos zurück ließ. Den einen Typen hätten man sicher auch ohne diese Gewalt (ja, es war eindeutig Gewalt gegen Unbeteiligte) aus dem Stadion entfernen können. Man hätte deeskalierend handeln können, man hätte sich gottverdammt nochmal wie normale Menschen benehmen können. Haben sie aber nicht. Die Polizei hat ihre Gewaltherrschaft (wieder einmal) rücksichtslos ausgenutzt. Und meine persönliche Sicherheit hat sie nicht geschützt. Die Damen und Herren hatten ihren Spaß dabei, das steht für mich außer Frage. Und es soll mir niemand mit Gefahr-im-Verzug oder irgend einem anderen Bullshit kommen, das war eine reine Macht-Demonstration gegenüber Menschen, die sich nichts anderes zu Schulde haben kommen lassen als ein Fußballspiel zu besuchen. Herzlichen Glückwunsch, liebe Polizei. Wie kann man die Hundertschaften noch in Schutz nehmen? Ich meine wir lesen jede Woche von solchen Vorfällen, quer durch die Republik, es ist ja nix neues mehr aber das dann nach vielen Jahren nochmal selbst mitzuerleben ist dann schon was anderes. Dein Freund und Helfer. Am Arsch.

Einigermaßen konsterniert bin ich dann zu meinem Platz.

Über das Spiel selbst habe ich gar nicht so viel zu schreiben. Die Eintracht wie erwartet sehr aggressiv, starkes Pressing in der ersten Hälfte, hohes Tempo in der Bewegung nach vorne, die ungeordnete Abwehr (Maroh fehlt schon sehr) ein ums andere Mal überlaufend mit verdienter Halbzeitführung. Nachjustierung durch Peter Stöger, Zoller für Rausch, mehr Tempo, bessere Organisation, engere Räume, viele Chancen zum Ausgleich, diesmal kein Glück, Mund abputzen weitermachen.

Man kann dem effzeh einiges in diesem Spiel vorwerfen. Die Ungenauigkeit im Aufbauspiel, besonders in der ersten Halbzeit, die mangelhafte Raumgestaltung, die fahrigen Offensivbemühungen, die -mich-zur-Weißglut-treibenden Abspielfehler. Okay. Aber wenn man dieser Mannschaft eins nicht abstreiten kann, dann ist es der absolute Wille ihre gemachten Fehler zu korrigieren. Die zweite Halbzeit sah schon wieder sehr gut aus und wenn man ehrlich ist, hätte auch hier (genau wie in Berlin) ein Unentschieden kein ungerechtes Endergebnis ergeben. Ich hatte ein wenig die Hoffnung, dass die SGE so ab der 60.-70. Minuten die Kräft verlassen, das ist aber nicht in dem Maße passiert, wie ich es mir wünschte. Ja, der effzeh hatte mehr Räume, es wurden die Außen effektiver angespielt, es kamen ein paar Flanken und Zuspiele in die Spitze an aber die Eintracht ging weiter stark auf den ballführenden Spieler, doppelte Modeste konsequent bis zum Ende und ließ so wenig Platz für Überraschungen. Dass der effzeh dennoch zu einigen, teilweise hochkarätigen, Chancen kam, spricht wieder für unsere Mannschaft. Ab und an fehlt halt mal das letzte Quäntchen Glück. Aufgrund der ersten Halbzeit können wir uns im Gegenzug aber auch nicht beschweren. So Spiele gibt es halt.

Weiterhin auffällig: Peter Stöger setzt auf Sehrou Guirassy statt Rudnevs, was ich vorbehaltlos begrüße (er wechselte nicht mal mehr den dritten Spieler ein, ich tippe und hoffe immer noch, dass Rudnevs im Winter ausgeliehen wird. Zu Union Solingen oder so…). Guirassy orientierte sich neben Modeste in die Spitze, hatte einige gute Laufwege aber noch etwas Tempo-Probleme. Wenn er mal den Ball hatte, war dieser schnell wieder weg, weil er nicht mit dem Tempo der Gegenspieler mitkam. Da muss er sich verbessern aber dafür ist er ja auch noch jung und beim richtigen Verein und Trainer.

Tja. Und das war das.

Nach dem Spiel trafen wir im Stadion noch Frau Alex vom Eintracht-Podcast, die Pia (ich hoffe ich habe mir den Namen richtig gemerkt :-)) vom Eintracht Museum, einen überragenden drei90-Hörer, der mir bitte nochmal seinen Namen und ein Bild für die Wall of Fame schicken soll und machten uns dann mit ca. 200 km/h auf durch Frankfurts enge Gassen zurück ins Nordend. Der Abend ging dann nach einer kleinen Taxifahrt in Sachsenhausen recht schnell zu Ende, weil wir doch etwas fertig von den Ereignissen das Tages waren. Kann passieren, war trotzdem ein geiler Tag. Wenn man die Polizei mal vergisst.

Jetzt ist Länderspiel-Pause (Juchu, genau das, was die Leute wollen!) und dann geht es -wieder auswärts- nach Gladbach, die im Moment auch aus dem letzten Loch pfeifen. Mal gucken.

Come on effzeh!

3 comments to Frankfurt – FC: Murmeltiertag

  • Dennis

    Sehr lesenswerter Blogeintrag, Danke dazu!
    Gibt es denn Erkenntnisse, warum der effzeh-Fan aus dem Block entfernt wurde?
    Bei solchen Berichten bin ich echt froh, dass ich bisher keine negativen Erlebnisse mit der Exekutive hatte…

  • Zwei Niederlage aus den letzten 10 Spielen, gegen die Tabellenspitze jeweils gepunktet. Solche Rückschläge wie gegen Frankfurt wird es immer wieder geben, aber die Hessen spielen derzeit (vor allem zu Hause) nicht ihren schlechtesten Fußball.

  • […] zu seinem Treffer gekommen ist. Und vor allem wann? Klingt komisch und ihr denkt, ihr seid in einem Artikel von 2006 gefangen? Nöö. Willkommen im 2016. Trotzdem komisch für euch und ihr zweifelt an mir? Nicht-EffZehler […]

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