Vielleicht kann man die Regentschaft von Werner Spinner ganz grob in zwei Kapitel einordnen. Die Zeit von der Amts-Übernahme ab 2012 bis zum Einzug in den europäischen Wettbewerb im Frühjahr 2017 – und die Zeit danach. So ganz genau kann ich, der mit dem Innenleben des Vereins nur soviel zu tun hat, was mir erzählt wird, natürlich nicht einordnen. Vielleicht war der Übergang fließend, vielleicht war schon die berühmt-berüchtigte WH-Choreo ein Wendpunkt oder das ebenso schlagzeilenträchtige Heimspiel gegen Hoffenheim, vielleicht kam es zu einem harten Bruch, vielleicht ist die Innen-Wahrnehmung auch eine ganz andere als die von Außen. Ich kann nur die letzte Perspektive einnehmen und versuchen für mich zu sortieren.
Als Yuya Osako am 20.05.2017 auf die Südkurve zulief, als um 17:13 in Köln alle Dämme brachen und wir uns in der Armen lagen, da verschwendeten wir keinen Gedanken an die Zukunft, wir schauten uns an, dachten an die vergangenen fünf Jahre und waren nichts als glücklich. Und zu einem ganz großen Teil dankten wir Werner Spinner und seinen Vorstandskollegen. Wir nahmen sie als angenehm ruhige, sich nicht ins sportliche einmischende Gremien-Instanz an, wir waren froh und glücklich, dass der Vorstand uns mit Peter Stöger und Jörg Schmadtke ein kongeniales Duo in der sportlichen Verantwortung schenkte, wir dachten immer noch mit Grauen an die schwarze Wand von 2012 und konnten gar nicht so viel trinken, wie wir lachen wollten.
Dass der Verein 2012 am tiefsten Tiefpunkt der langen Geschichte seiner Tiefpunkte angekommen war, dass wir kurz davor standen alles zu verlieren und dass Werner Spinner zusammen mit einem Mix aus Wirtschaftskontakten und wohlwollender Kommunalpolitik den Kollaps abwenden konnte, ist ein Verdienst, den wir ihm nicht vergessen dürfen. Ja, es gab damals ein paar kleine Irritationen rund um eine Golfturnier in Pulheim und ob man wirklich von einer drohenden Insolvenz sprechen durfte, es gab vor ihm kreative Buchführung und ein paar komische Posten im Hauptbuch aber das ist Schnee von gestern und egal, Spinner und Team konsolidierten den Verein zuerst über die Finanzen und dann über ein glückliches Händchen bei der Personalwahl. Machen wir uns nichts vor: 2012 war Werner Spinner das Beste, was diesem Verein passieren konnte.
Bei allem Groll, bei allem Unverständnis über die letzten Monate, das ist eine Leistung die anzuerkennen ist, die auch einen verdienten Platz in den Geschichtsbüchern unseres Clubs finden muss.
Und dennoch müssen wir jetzt durchatmen, dass seine Amtszeit heute ein Ende gefunden hat. Zu viel Vertrauen wurde seit dem wunderbaren Sommer vor fast zwei Jahren verspielt, zu viel wurde kaputt gemacht. Es wäre unfair die komplette Schuld an dem Riss, der mittlerweile durch die Mitgliedschaft des 1.FC Köln führt, alleine beim Vorstand zu suchen, das mache ich auch nicht, es wurden sicherlich auch Fehler von kritischer Seite gemacht aber, ich bleibe dabei, die vollständige Eskalation des Konflikts, die getriebene Art hinter jedem Busch einen Feind zu sehen, die Unversöhnlichkeit und das Vermissen-lassen jedes Gespürs, das sind Dinge, die allein dem Vorstand und damit in erster Linie Werner Spinner anzulasten sind.
Angefangen beim völligen Versagen das Auseinanderdriften der sportlich Verantwortlichen zu erkennen und dem gegen zu steuern, über die Kampagne gegen Mitglieder-Initiativen, die Liste der Vorwürfe, die ich Werner Spinner als Mitglied des 1.FC Köln mache ist lang und traurig. Kumuliert kann man es wohl als eine Art Kleinkrieg gegen alles und jeden, der nicht auf Linie war, bezeichnen. Dabei gab es keinen konstanten Feldzug, sondern es wurden Nebenkriegsschauplätze aufgemacht, die sich quer durch alle Themen zogen. Immer waren die anderen Schuld. Eigene Fehler? Fehlanzeige.
Geleakte Investoren-PowerPoint? Das war nur ein Planspiel, man will uns schaden.
Choreo-Verbot? Es gibt kein Choreo-Verbot, wir wollen nur rechtssicher handeln.
Polizeigewalt gegen FC-Fans? Das wird schon gerechtfertigt sein.
Mitglieder-Initiative? Ein Misstrauensvotum gegen den Vorstand.
und so weiter und so fort, ich habe hier im Blog schon hunderte Zeilen Kram darüber geschrieben.
Werner Spinner verzettelte sich zunehmend im Klein-Klein, sei es bei dem unsäglichen Versuch über ein U-Boot die Mitgliederversammlung zu manipulieren, über Interviews bei genehmen Medien, die keine Gegenfrage stellten oder bei Empfehlungen wie als loyales Mitglied zu handeln sei, es ging nur noch um Deutungshoheit und Spaltung des Vereins in genehm und unerwünscht.
Das Resultat ist ein zutiefst kaputter Verein, eine Mitgliedschaft die gespaltener ist als das Uran in Tschernobyl und eine Mißtrauenskultur alles und jedem gegenüber. Ich nehme mich da auf keinen Fall aus. Ich kann z.B. der Medien-Abteilung des FC kein Wort glauben, bis es durch andere Quellen belegt ist. Und sei es nur ein Zwischenstand. Ich glaube ihnen nichts mehr. Sie haben sich in den vergangenen Monaten zu einer reinen Vorstands-Plattform gewandelt. Einen Vergleich spare ich mir an dieser Stelle. Genauso zieht sich dieser Riss über die sozialen Plattformen. Es gibt die Fraktion, die uns nicht verstehen kann, genauso wie wir sie nicht verstehen können. Es gibt die Leute, die auf die Tabelle gucken und für die alles okay ist und es gibt die, die losgelöst vom sportlichen “Erfolg” Interessen an diesem Verein haben. Es gibt sogar Schnittmengen. Aber es gibt keine Kommunikation untereinander. Es gibt nur Ablehnung.
Und das ist eine Entwicklung, die dieser Vorstand durch sein Verhalten forciert hat. Es gab keine Augenhöhe mehr, alles wurde abgewatscht und durch die Vereinsmedien als Aufruf zur Rebellion dargestellt. Damit erreicht man dann eben die eine Hälfte und grenzt die andere Hälfte weiter aus. Beide Fraktionen bauen Wagenburgen oder bleiben in ihren Bubbles und auf einmal hat man den Salat.
Dass Werner Spinner heute zurück getreten ist, ist eine Chance für den Verein. Wie es dazu gekommen ist, möchte ich gar nicht groß kommentieren, ich kenne seine Beweggründe nicht. Für mich bleibt das Resultat. Und dieses ist positiv, denn einen Vereinigung des Vereins war unter Werner Spinner ausgeschlossen. Wir müssen hier einen Strich machen, die Vergangenheit begraben und jetzt nach vorne schauen. Ja, wir brauchen einen kompletten Neustart. Ob dazu Schumacher und Ritterbach in der Lage sind, muss die Zeit zeigen, ich bleibe skeptisch, denn auch sie trugen die Vorstandsentscheidungen mit und wer Toni Schumacher auf der Mitgliederversammlung erlebt hat, wird mir zustimmen, dass es schon souveränere Auftritte in der Historie von öffentlichen Auftritten gab. Sauber wäre es, wenn bei dem Wahlen im September ein komplett neuer Vorstand antritt, der mit einem weißen Blatt anfängt, über dem als Überschrift hoffentlich erste Bundesliga steht.
Ich wünsche mir einen Vorstand, der den Dialog mit der aktiven Fanszene auf einem rationalen Level wieder aufnimmt, der auch deren Argumente hört und in seine Entscheidungsfindung einbindet. Der legitime Mitglieder-Initiativen nicht torpediert, sondern zur Diskussion stellt, der seinen Kontrollaufgaben nachkommt und der ohne Populismus und Egoismus an den 1.FC Köln denkt. Einen Vorstand, der sich zum Ziel macht diesen Verein wieder zu dem zu machen, der er in unser allem Selbstverständnis ja immer noch ist: Der erste Fußballclub Köln, ne feine Verein.
Genauso wünsche ich mir, dass der Rücktritt von Werner Spinner dazu führt, dass diese elenden Gräben innerhalb der Mitgliedschaft zugeschüttert werden. Dass man wieder auf Augenhöhe miteinander streiten kann. Streiten ist gesund und mir ist klar, dass es genug Leute da draußen gibt, die mich für ein Arschloch halten. Ist ja okay. Man muss nicht meiner Meinung sein. Aber genauso, wie ich lernen muss, eine andere Sicht der Dinge zu akzeptieren, kann es gar nicht schädlich sein, wenn DU, der du dich gerade angesprochen fühlst, nicht direkt in den Abwehrmodus gehst, sondern dich in mich hineinversetzt. Das macht doch unsere Gesellschaft aus. Unser Fußballverein macht da keine Ausnahme.
Halt mich für einen Idioten, ist mir egal, aber gib mir Argumente. Mehr will ich nicht. Ab heute haben wir dazu wieder Gelegenheit.
Danke Werner Spinner. Für einmal Europa. Und für Ihren Rücktritt. Werden Sie gesund.
Come on effzeh!
Lieber Alex, danke für Dein Geschreibsel. Hat mir gut gefallen!
Ich bin oft nicht Deiner Meinung (mit fällt auf, dass Du häufig nur nach Niederlagen vom FC schreibst). Deinen Text finde ich dennoch sehr gelungen: wie immer ehrlich, wortgewandt, mit interessanten Bildern, sachlich und dennoch voller Emotionen und der Sehnsucht danach, dass es dem Verein (!) “gut” geht.
Ein Idiot bist Du keinesfalls. Du machst Dir viele Gedanken und hängst Dein Fähnchen nicht in den Wind. Das gefällt mir!
Deine Sicht bzgl. “zweigeteilter Amtszeit” teile ich. Den Anspruch den Verein zu vereinen wurde nicht erfüllt – vermtl. eher das Gegenteil. Diesen Anspruch zu erfüllen halte ich jedoch nahezu für unerreichbar. Wir hatten ein paar ruhige Zeiten – nicht nur sportlich. Aber in Köln wird wohl nie Ruhe einkehren. Das ist meine Erfahrung seit 78 – mein bewusstes erstes Erleben vom effzeh.
Deine Kritik an der Medienabt. kann ich nicht nachvollziehen. Die dort arbeitenden kenne ich nicht – sie sind jedoch nicht “überparteilich” und schreiben und agieren natürlich im Sinne der Verantwortlichen. Alles andere wäre seltsam.
Wünschenswert ist für alle das Überwinden der Gräben – das scheint mir für die nächste Zeit kaum vorstellbar, sollte aber ein Ziel sein.
Wer Verantwortung übernimmt – so ist meine Erfahrung beruflich wie privat, kann es nicht allen recht machen, setzt sich in Nesseln und macht auch viele Fehler. Interessant ist aus meiner Sicht, wenn (nun) die “Opposition” in die Verantwortung kommen sollte….
Lieber Alex, danke nochmals für Deinen Text!
In diesem Sinne: Come on, effzeh!
schade das hier tote hose ist,obwohl es themen zubasch gibt!!!!