Mit 2:3 verliert der 1.FC Köln in Paderborn und holt damit im dritten von vier Spielen in der Rückrunde keine Punkte. Neun Gegentore stehen dabei zu Buche, also ein Schnitt von mehr als zwei pro Spiel. Insgesamt war es die sechste Niederlage in 21 Spielen (bei weiteren drei Unentschieden). 12 Spiele konnten gewonnen werden. Eine Erfolgsquote von 57%. In einer zweiten Liga, die so unglaublich schwach ist, dass die 80er Jahre uns wütend “so schlimm war es wohl doch nicht, was?” ins Gehirn brüllen. 28 Gegentore (so viel wie Erzgebirge Aue) stehen ebenfalls im Soll. 28! In 21 Spielen! Union hat 20. Nur mal als Vergleich. Mit einem Etat, der vermutlich das zwei bis dreifache der Konkurrenz (ohne den HSV) beträgt (die kolportierten Zahlen gehen von 25-30 Millionen für die Saison aus), mit dem teuersten und “wertvollsten” Kader der Zweitliga-Geschichte, mit einem der teuersten Transfers, der jemals von einem Nicht-Bundesligsten getätigt wurde (Drexler), mit Nachkäufen im Winter, mit… ach, ihr wisst was ich meine, oder?
Seien wir ehrlich: Die Bilanz ist erschreckend.
Schon vor der Saison sprachen wir im Fünf-Stunden-Podcast von einer gewissen Skepsis, die Markus Anfang betrifft, von der Sorge, dass er sich hier in Köln eine Wohlfühl-Oase mit seinen Buddys aus Kiel einrichten könnte, dass ein Pragmatismus bisher bei ihm nicht zu erkennen gewesen ist und dass er – von außen betrachtet – den Eindruck eines diktatorischen Zwangs-Systematikers macht. All das hat sich bewahrheitet und es ist eigentlich noch viel schlimmer. Die absolut ruinöse Transfer-Politik, die Anfang dem Verein aufdiktiert hat, die vollkommene Weigerung Spiele dynamische zu gestalten, sein Sturheit, seine Arroganz, gepaart mit hilfloser Phrasendrescherei, es ist tatsächlich ein vollständiges Debakel.
Der 1.FC Köln lebt in dieser Zweitliga-Saison ausschließlich von überragender (für diese Liga) individueller Klasse in der Offensive. Mehr ist es nicht. Vielleicht reicht das am Ende für den Aufstieg, vielleicht auch nicht. Allein dieser Satz sollte schon mit zehn Schlägen auf den nackten Arsch bestraft werden, denn aus den oben genannten Gründen kann es für den effzeh keine Ausreden für verlorene Spiele in der zweiten Liga geben. Jeder, der jetzt mit den “aber die Liga ist stark”, “die zweite Liga ist eine Wundertüte”, “für den Gegner ist es das Spiel des Jahres” usw. um die Ecke kommt, lügt sich in die eigene Tasche. Nein, die Liga ist nicht stark, die Liga ist schwach. Der Unterschied zur ersten Liga ist in etwa so groß wir der Unterschied zwischen einem Big Mac und einer leckeren Portion Spaghetti Bolognese. Es kann einfach nicht sein, dass wir uns Woche für Woche anschauen und uns fragen müssen, wie es sein kann, dass uns Duisburg, Paderborn, Bochum, wer auch immer taktisch, kämpferisch und auch spielerisch überlegen ist. Ein derart umfassendes Totalversagen auf allen Ebenen habe ich nicht für möglich gehalten. Selbst in Spielen wie gegen Magdeburg, das dann 3:0 gewonnen wurde, sah man, dass der Gegner einen klaren Plan hatte, der den FC vor hohe Probleme stellte und nur an Abschluss-Schwäche scheiterte. In der ersten Liga verlierst du diese Spiele wahrscheinlich zweistellig.
Ja, es ist ein wenig überspitzt, aber nicht viel.
Es kann und darf nicht sein, dass wir bis heute 16 Gegentore nach Standards kassiert haben, dass der Trainer sagt „Standardsituationen kannst du jeden Tag trainieren – und musst sie trotzdem am Wochenende verteidigen. Die eigentliche Standards kannst du nicht vorbereiten“ (5.2.19) und es dann lieber gleich sein lässt? Dass es im Abwehrverbund anscheinend keine klare Aufgabenverteilung gibt, sondern es eher ein Kreisliga-haftes “wer am nächsten dran steht, geht drauf” gibt, dass es auch keine Zuständigkeiten zu geben scheint, nicht zu erkennen ist, wann im Raum und wann am Mann verteidigt werden soll? Wie kann das sein? Vor dem 1:2 am Freitag hatte Paderborns Tekpetey schon mindestens zwei Szenen, die für erhöhten Blutdruck sorgten, wie kann ich den Mann denn dann in der 80. Minute bei einem Freistoß von der Strafraumgrenze völlig unbeobachtet durch die Box marschieren lassen? Versteh’ ich nicht. Da muss es doch (spätestens bei der Einwechslung von Sörensen) eine Coaching-Aufforderung gegeben haben: Manndeckung, Zentrum verdichten, nichts zulassen. Sich aber mit fünf Spielern in den Raum zu stellen und abzuwarten, was passiert, da müssen wir eigentlich gar nicht drüber sprechen.
Das ist ja nur eins von vielen Beispielen. Markus Anfang arbeitet sich an der Seitenlinie an dem vierten Offiziellen (höhö) ab, brüllt ab und zu mal etwas in Richtung gegnerische Trainerbank und guckt dann bei Gegentoren auf das Spielfeld wie ich, wenn ich gegen einen 12jährigen Counterstrike (oder was auch immer die Jugend heute spielt) zocken würde. Verständnislos. Eine Reaktion auf Spielverläufe, auf veränderte Rahmenbedingungen geschieht nicht. Stattdessen wird gezetert und geschimpft, weil die Kreis-Taste auf dem Controller nicht so funktioniert wie sie soll (tut sie aber, keine Sorge).
Es gibt bei Markus Anfang nur einen Plan, den hat er irgendwann mal verinnerlicht und damit ist es auch gut. Auf den Flügel wird hochgerannt, nach hinten geht wenig, das Mittelfeld ist eh überbewertet, lange Bälle werden schon reichen und vorne gucken wir mal wer die Tore macht. In Kiel hat er davon profitiert, dass Marvin Ducksch anscheinend nicht klar war, dass er normalerweise nicht 23 Tore schießt und die Mannschaft halt recht sorgenfrei und losgelöst von Druck nach vorne spielen konnte. Das sah dann in Teilen okay aus, ist aber natürlich nicht auf den 1.FC Köln übertragbar. Die Gegner stehen erstmal anders und mittlerweile hat auch der letzte Mensch “DAS SYSTEM” Markus Anfang dechiffriert. Sooo schwer ist es auch nicht. Lauf halt an, es gibt keinen Plan B.
Gegen Paderborn gab es im Mittelfeld eine komische angedeutete Raute, mit einer Beule nach rechts, die allerdings durch – wieder mal – nicht vorhandene klare Aufgabenverteilungen überhaupt nicht für den gewünschten Platz und/oder einen ruhigen Spielaufbau sorgte. Mitte der ersten Halbzeit, als man schon sehen konnte, dass selbst die einfach Pässe mit wackeligen Füßen gespielt werden, hätte es die Möglichkeit gegeben einzugreifen und das Spiel ein wenig mehr in Ketten zu organisieren. Vielleicht eine Umstellung auf eine klare Sechs und eine klare Acht, statt diese Hybridpositionen, die anscheinend die Spieler überfordern. Macht er nicht. Nö, sieht er gar nicht ein. Warum auch immer.
Oder, und jetzt wird es hässlich, vielleicht erkennt er es ja schon, weist es auch an, aber die Mannschaft hört nicht auf ihn. Kann ja auch sein. Ob sein Führungsstil wirklich beliebt ist? Ob seine Obsession seine Lieblingsspieler völlig aus der Rotation zu nehmen, tatsächlich gewürdigt wird? Wenn er nach dem Spiel im Kreis seine Spieler zusammenscheisst, wie weiland Alex Ferguson in Manchesters Kabinen, dann mag das in seinen Augen eine Außenwirkung haben, allerdings ist der Vergleich mit dem großen schottischen Trainer vielleicht etwas vermessen. Ob das wirklich hilfreich ist?
Dass die Mannschaft regelmäßig nach Gegentoren in sich zusammenfällt, ist riesengroßes Problem. Es scheint kein Selbstvertrauen zu herrschen. Wie kann das sein? Es ist doch Konsens, dass der FC rein individuelle die beste Mannschaft in der Liga sein muss. Ja, auf dem Papier ist Köln auch besser als Hamburg. Da muss ich doch eine breite Brust haben und sagen: Scheiss drauf, das Gegentor bringt uns nicht aus dem Tritt, weiter geht’s. Das Gegenteil ist der Fall. Im Kopf scheint eine ganze Menge nicht zu stimmen und auch dafür kann es nur einen Grund geben: Man glaubt nicht an das, was man da gerade macht.
Und dann kommen dann die wirklich hilflosen Phrasen, die an besten Ruthenbecksche “Starting Eleven” Zeiten erinnern. Nach der Niederlage diktierte er der erstaunten Presse „Wir führen 2:0 und haben nicht wirklich was zugelassen Die Zweikämpfe waren sehr leidenschaftlich, wir mussten immer wieder auf die Gelben Karten reagieren. Hinten raus hat man kaum noch Möglichkeiten einzugreifen. Das war genau das Spiel, das wir erwartet hatten. Sehr intensiv und leidenschaftlich.“ in die Notizblöcke. Na herzlichen Dank, Trainer.
Seid mal ehrlich, fühlt Ihr Euch nicht verarscht?
Was mir allerdings noch mehr Sorgen als der Staus Quo macht, ist die Entwicklung und der Blick nach vorne. Es ist mMn nichts, wirklich gar nichts, von einer spielerischen Entwicklung zu sehen. Das Muster der FC-Spiele ist zwar immer gleich aber es wird nicht besser. Weder sind Lösungen im Spielaufbau erkennbar, noch Angriffsmuster und über die Bewegung ohne Ball müssen wir gar nicht erst reden. Das sieht nicht nach etwas aus, was mir große Hoffnung auf neue Nächte in Belgrad oder London macht. Sollte ein Aufstieg realisiert werden, müssen wir schauen, wie zur Hölle der erneute Abstieg verhindert werden soll. Die Mannschaft kann sich im Sommer gar nicht groß verändern, da ja mit den meisten Spielern langfristige Verträge abgeschlossen wurden und mit Schindler ein weiterer Wunschspieler von Markus Anfang nach Köln wechseln wird. Nein, Schindler hat (genauso wie Drexler) nicht das Format die Mannschaft in der ersten Liga besser zu machen, es gibt schon gute Gründe, warum er (genauso wie Drexler) bisher eben nicht Bundesliga spielt. Das sind ja alles keine jungen Spieler mehr, das dürfen wir nicht vergessen. Es gibt im Sommer genau vier Verträge die auslaufen: Kessler, Geis, Lehmann und Führich. Alles andere hat bis mindestens 2021 Vertrag. Für neue (bessere) Spieler müssten also auch Verkäufe realisiert werden und ob das (auch wirtschaftlich) funktioniert steht in den Sternen.
Der 1.FC Köln hat sich mit Haut und Haaren Markus Anfang verschrieben, hat alles auf diese eine Karte gesetzt und steht nun mit offenem Mund da.
Hätte uns doch nur jemand gewarnt…
Paderborn!
Kann nur jedes einzelne Wort unterschreiben. Einzig das Drexler der teuerste Transfer der 2.Liga gewesen sein soll ist nicht ganz richtig, aber was spielt das für ne Rolle … https://www.transfermarkt.de/2-bundesliga/transferrekorde/wettbewerb/L2/plus//galerie/0?saison_id=alle&land_id=alle&ausrichtung=&spielerposition_id=alle&altersklasse=&leihe=&w_s=&zuab=zu
100 % Ärger.
Agree
Wer ernsthaft formuliert, dass uns Bochum oder Duisburg spielerisch überlegen waren, der hat nur eines im Sinn, mal wieder zu polarisieren und ne Sau durchs Dorf zu treiben…
… wer darauf hinweist, dass wir die meisten Gegentore nach Standards bekommen, aber verschweigt, dass wir auch die meisten Tore nach Standards machen, will halt eine Stimmung erzeugen.
Es ist viel schwieriger, einer Mannschaft ein Offensivkonzept zu verabreichen, als defensiv stabil zu stehen…
.. ich schaue deshalb 1000x lieber die Spiele des Effzeh, als die des überragenden Tabellenführers.
Natürlich ist nicht alles gut – natürlich ist es bitter nach einer 2:0 Führung das Spiel zu vergeigen.
Aber wir waren in Berlin und auch in Paderborn die bessere Mannschaft und wir werden mit Anfang sicher aufsteigen.
Was in der Diskussion beim Dreckspress und auch hier leider völlig untergeht:
Es ist extrem schwierig, gegen defensiv gut organisierte Gegner Tore zu machen…
… und man hat immer das Risiko, dass man sich ein Standardtor, einen Sonntagsschuss oder sonst ne Gurke einfängt.
Aber die Mannschaft will eigentlich immer – spielt ansehnlich – macht ne Menge Tore und verliert auch mal…
… so ist Fußball – selbst die überragenden Bayern haben schon 4x verloren und der BVB verliert in D’dorf und schafft es nicht ein Tor gegen den Club zu machen.
Aber dem Effzeh wird einerseits Arroganz vorgeworfen…
… aber Presse und Fans fordern einen Durchmarsch – dessen Anspruch nur so von Arroganz sprüht.
Ich sehe den Effzeh unter Anfang 1000x lieber als ich den Stöger Fußball mochte – das ist Unterhaltung und auch mal ne bittere Niederlagen….
… aber auch die nehme ich in Kauf – das 3:5 gegen Paderborn, war eines der geilsten Spiele der letzten Jahre.
Richtig Sorgen mache ich mir um die Position des 6ers und des RV.
Höger ist zu lahm – Geis leider auch – Öczan wird den Status des Talents (leider) nicht verlassen und Koziello körperlich (spätestens in Liga 1) zu schwach.
Da brauchen wir dringend eine Verstärkung – befürchte nur, da haben Anfang und Veh eine andere Wahrnehmung.
Zudem macht mich Schmitz wahnsinnig – der ist weder schnell, noch passsicher noch zweikampfstark, noch….
…. mir ein Rätsel. wie der es in Auswahlmannschaften des FCB oder nach Lpz geschafft hat.
Wenn er dann noch besser als Bader ist. haben wir dort den dringendsten Handlungsbedarf.
Also – einfach mal ruhig durch die Hose atmen und können wir gern auch am Rande des drei90 Events in Ihrefeld mal diskutieren.
Mach et joot
Dirk