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Mainz – FC: Handtuchtag

„In vielen der etwas lässigeren Zivilisationen am äußersten Ostrand der Galaxis hat der Reiseführer Per Anhalter durch die Galaxis die große Encyclopaedia Galactica als Standard-Nachschlagewerk für alle Kenntnisse und Weisheiten inzwischen längst abgelöst. Denn obwohl er viele Lücken hat und viele Dinge enthält, die sehr zweifelhaft oder zumindest wahnsinnig ungenau sind, ist er dem älteren, viel langatmigeren Werk in zweierlei Hinsicht überlegen. Erstens ist er ein bisschen billiger, und zweitens stehen auf seinem Umschlag in großen, freundlichen Buchstaben die Worte KEINE PANIK.“

Lies es. Lass es wirken. Keine Panik. Hab doch mal ein wenig Vertrauen in die Mannschaft. In Peter Stöger. In deinen Verein. Vergiss doch jetzt endlich die letzten 20 Jahre Pein und Qual. Alles wird gut.

Wirklich.

Aber der 1.FC Köln macht es mir und uns nicht einfach. Er liebt es am Abgrund zu balancieren wie ein todesmutiger Drahtseiltänzer. Er liebt es uns zu quälen, es uns aber gleichzeitig spüren zu lassen dass wir -egal wie es um ihn steht- immer noch schlechter ohne ihn dran wären, um dann plötzlich und ohne Grund die Richtung zu ändern, uns neue Hoffnung zu geben und uns in ein selbstverliebtes Bild der modernen Malerei hinein zu saugen. Wir müssen nur aufpassen dass wir uns nicht irgendwann anfangen die Ohren abzuschneiden vor lauter Wahnsinn.

Denn die ersten 63 Minuten der sonntäglichen Bundesliga-Unterhaltung glichen eher einem anonymen, obszönen Anruf. Die Panik wurde minütlich gesteigert, der schwere Atem des Abstiegs kroch aus dem Hörer wie ein wabernder Nebel des Grauens. War das schlecht, was der effzeh da über 2/3 des Spiels anbot. Keine Sicherheit im Aufbauspiel, kein Selbstvertrauen, keine Präzision. Langsam im Kopf (Mainz war immer schneller in den Zweikämpfen, immer schnell am Ball), langsam in den Beinen. Ein kreativer Offenbarungseid, der die Günni-Werbung von HD+ wie einen Geniestreich aussehen ließ.

Um 18:38 Uhr wäre ich fast gewalttätig geworden.

Beide Mainzer Tore fallen wie Tore gegen Absteiger fallen. In der Verteidigung werden Zwei- bzw. Luftkämpfe nicht angenommen, das Sanostol war wohl ausgegangen, denn so teilnahmslos ist die effzeh-Abwehr ja eigentlich gar nicht. Dazu schlechtes Stellungsspiel von allen Beteiligten und zack, haste eigentlich verloren.

Und dann kommt eine weitere beschissen getretene Ecke in den Mainzer Strafraum gesegelt. Lang, hoch, ohne Druck, unpräzise, ins völlige Niemandsland. Mit Glück kommt der Ball durch zu Risse, der aus 23 Metern draufhält und den Ball ausnahmsweise mal richtig trifft.

Die Fangnetze in der Wiesbadener Innenstand quietschten vergnügt im Wind.

Momentum.

Als hätte der Puppenspieler sich spontan eine neue Handlung überlegt, fängt der effzeh an an sich zu glauben. Die Stögersche Systemumstellung vom 3-6-1 auf 4-1-4-1 bzw. 4-4-2 macht das Spiel etwas flexibler, weil die Außen anders besetzt sind um mehr Möglichkeiten haben andere Anspielstationen als die geballte Mitte zu finden, die Wechsel funktionieren etwas besser und vor allen Dingen Osako bindet mit viel Laufleistung immer mindestens zwei Mainzer. Einer der hinterherlaufen muss und einer der auf die Kreuzungen aufpassen muss. Dadurch ergeben sich natürlich ein paar Räume die der effzeh dann auch recht zügig nutzen kann. Mladenovic gewinnt an der linken Außenbahn einen Zweikampf, hat durch angesprochene Umstellung danach viel Platz vor sich, geht in den Raum und kann dann recht unbedrängt flanken, was an sich noch nicht viel Spektakel verspricht weil unsere Flanken immer noch keiner Gütesiegel-Prüfung standhalten würden. Aber die Mainzer sind ihrerseits auf einmal konfus im Kopf, können den Ball nicht klären und spielen diesen Gerhardt in die Füße, der ablegt und Milos Jojic bedient.

Big Macs verleihen anscheinend Flügel.

Das 2:2 hätte ich mit Kusshand genommen aber es wäre nicht der effzeh, wenn uns nicht noch ein langes Crescendo des Wahnsinns erwarten würde. Normalerweise müssen wir immer davon ausgehen, dass wir es noch vergeigen. Dass wir einen Weg finden werden uns selbst in der Arsch zu treten. Selbst nach so einer Moralleistung. Aber es kommt anders. Ein langer Ball von Lehmann, Modeste mit dem direkten Abschluss, Spiel gedreht.

Dortmund anyone?

Bitte rasten Sie jetzt aus. Hier rechts befinden sich die Gummizellen, bitte machen sie es sich bequem.

Zehn lange aber souverän über die Zeit gebrachte Minuten später wird abgepfiffen, der effzeh gewinnt ein enorm wichtiges Spiel mit 3:2 in Mainz. Der erste Ligasieg überhaupt und nach 1962 und 2013 im Pokal erst der dritte Sieg überhaupt in Mainzelmännchenmetropolis. Nach den Ergebnissen von Samstag und dem drohenden Unheil, das über uns schwebte, ist dieser Sieg eine derartige Erleichterung, ein solches Glück, dass es mir schwer fällt dies in Worte zu fassen.

Fußball ist halt manchmal immer noch geil. Manchmal.

Ich bin mir jetzt sicher, dass wir die Klasse halten werden. Mit diesen drei Punkten haben wir uns schneller von ganz unten verabschiedet als der gemeine italienische Soldat kapitulieren kann. Und das nach einem Tag, der uns auch ganz tief in den Schützengraben hätte spülen können.

Wenn man sich die Liga anschaut, dann werden das wahnsinnig spannende Endspiele um den Klassenerhalt und…
…wer weiß, vielleicht schafft der HSV ja doch noch das Relegationstriple. Nicht dass ich mir das unbedingt wünschen würde. Genauso wenig wie einen Abstieg der Eintracht aber, herrjeh, das sieht nicht gut aus. Wenn jetzt am Samstag nicht gegen Mainz gewonnen wird, sieht es wirklich düster aus.

Aber noch ist nichts entschieden, alle Teams ab dem effzeh kann es noch erwischen.

Wir spielen aber am nächsten Spieltag 0:0 zu Hause gegen Darmstadt und dann kann so langsam die Sommerpause kommen. Es wird Zeit.

Obwohl…

Come on effzeh!

4 comments to Mainz – FC: Handtuchtag

  • Max

    Die besten Spielberichte der Welt. Danke dafür!

  • Können wir dann jetzt endlich mal aufhören IMMER vor und während des Spiels AUSSCHLIEßLICH immer nur das SCHLECHTESTE zu erwarten?
    Ihr Effzeh Fans habt in den letzten Jahren viel mitgemacht. Spiele verloren, die man schon als gewonnen abgehakt hatte…

    Aber jetzt arbeiten da Leute, die Ahnung haben, von dem was sie tun. Und kein Spieler hat irgendwelche Verbindungen zu damals, als der alte Effzeh 3-0 Führungen vergeigt hat!

    Keine Panik, du sprichst es an. Trust Schmadtke, Trust Stöger.

    Hast du das Foul an Vogt im eigenen 16er gesehen? Nach dem 2-2. Genau dafür braucht ihr Vogt. Und Stöger weiß das

  • @nedfuller: Nein, können wir nicht. Du verlangst ja auch nicht von einem Delphin Weltliteratur, nur weil man mittlerweile weiß dass die Viecher wohl recht intelligent sind…

  • Okay. Verstehe. Aber irgendwann hört das auf, ja?

Haut rein, schreibt mir was!