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Vom Suchen und Finden der Schlagzeile

Heute ist in der Südstadt das Stadtarchiv eingestürzt! Das werden die meisten mitbekommen haben. Ob es an der KVB liegt oder nicht, ob es an einer Unterspülung liegt, ob das Polizeipräsidium auch noch zusammenfällt…es gibt noch viel obs. Man weiß erstmal so gut wie gar nichts.

Gegen halb vier las ich die Meldung im Netz. Bei Spiegel online. Relativ neutral gehalten, sich an den Fakten bewegend, die bis dahin bekannt waren. Ich nehme mal an, daß es eine dpa-Meldung, war, keine Ahnung. Es war auf jeden Fall nicht sehr weiterführend.

Natürlich kommt dann gleich der Klick zu Rundschau-Online. Dort konnte man ein erstes Bild der Verwüstung sehen und den Zusatz lesen, daß

die Einsatzkräfte der Malteser in Großalarm versetzt worden sind, weil man mit Verletzten rechen muß.

Einen Klick weiter beim Express sieht es dann schon anders aus: Gegen 16.00 Uhr lautete die Schlagzeile auf der Homepage:

Stadtarchiv eingestürzt. Bis zu 30 Tote!

Da bleibt einem dann erstmal die Spucke weg.

Als ich dann gegen 16:20 Uhr zu Hause war, hab ich mich natürlich vor den Fernseher geschmissen (wie war das noch, ich brauch kein TV?) und hatte folgende Optionen:
In n-tv lief eine Breaking News Sondersendung mit Live-Schalten zu Augen- und Ohrenzeugen sowie zu Reportern vor Ort, jedoch ohne Live-Bilder. Weder N24 noch Phönix, noch der WDR hatten zu dieser Zeit Bilder aus Köln. Die einzige Alternative bot CenterTV. Diese übertrugen die PK der Feuerwehr live. So weit das Angebot.

Wenn man sich nun für n-tv entschied (oder einfach nicht im Einzugsgebiet von CenterTV lebt), dann hörte man einen Reporter mit kaum zurückhaltender Sensationslust von einem

“Wahnsinns-Rettungskräfte-Aufgebot”

sprechen, von einer

“Masse an Einsatzkräften, die ich noch nicht erlebt habe”

von

“Meldungen unter der Hand, daß man mit vielen Toten rechen muß”

und davon daß

“allein das Aufgebot darauf schließen läßt, daß wir es hier mit vielen Toten zu tun haben werden”

Er fabulierte weiter daß

“jetzt ein Bagger kommt. Man rechnet also damit daß Menschen unter den Trümmern eingeschlossen sind”

…so ging das in einer Tour. Daß man den Mann nicht lachen gehört hat war alles.

Als dann bei CenterTV der Sprecher der Berufsfeuerwehr davon sprach daß Stand jetzt

“höchstens ein Ehepaar vermißt wird und das ist noch ubestätigt”

staunt man doch ob des Informationsvorsprungs des n-tv-Reporters gegenüber dem Einsatzleiter. Alle Mitarbeiter des Archivs, alle Besucher, alle Menschen in den angrnezenden Wohnhäusern, alle Arbeiter der KVB-Baustelle und auch die zwei Dachdecker die zuerst vermißt wurden, sind in Sicherheit. Wollen wir alle hoffen, daß man das Ehepaar auch ausfindig macht und daß sich kein Mensch auf dem Waidmarkt befunden hat, als das Gebäude einstürzte. Selten hätte eine Stadt mehr Glück im Unglück gehabt.

Was aber treibt die Redakteure von n-tv und vom Express (die mittlerweile ihre Schlagzeile in einen live-Ticker geändert haben) an, eine solch desaströse Berichterstattung zu gestalten? Ist es tatsächlich nur die Gier nach Einschaltquote und Klicks oder kann man es einfach gar nicht besser? Ist der Zuschauer/Leser schon so abgestumpft, daß man es immer eine Ecke schlimmer machen muß als nötig? Warscheinlich schon, so traurig das ist.

Das ist einfach ekelhafter Dreck. Unterschichtenberichterstattung. Alles andere gibt im Land ja keine Quote mehr und ist damit nicht vermittelbar. Grade bei solchen Ereignissen wird deutlich wie wenig Qualitätsjournalismus noch vorhanden ist. Ich bin mal gespannt ob es heute Abend irgendwelche Sondersendungen gibt…

2 comments to Vom Suchen und Finden der Schlagzeile

  • kleinski

    Deinem letzten Absatz kann ich nur 100%ig zustimmen. Widerwärtig, die sog. Journaille.

    Es gab gestern auf dem WDR eine 15 Minuten Sondersendung ab 20:15. Habe die aber selber noch nicht gesehen.

  • SurfGuard

    Was ist hier eigentlich los, außer nix mehr? Alles in Ordnung?

Haut rein, schreibt mir was!