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Werder Bremen - FC: Ein Gesellschaftsstück

Warum ich die “Wilde Horde” verachte

Der Abend war schon in den Morgen übergegangen, als ich mit einem Kumpel im Schmelztiegel noch ein oder zwei Absacker trinken wollte. An der Theke eine Horde besoffener Kinder in Köln-Devotionalien. Paar Jungs, paar Mädchen, da denkste dir wenig bei, denn in Köln -an ´nem Samstag- sieht man ja an jeder Ecke solche Gruppen. Gut. Wir also in den Laden rein, mein Kumpel will was bestellen, ich musste erstmal woanders hin. Zwei Minuten später seh ich nur noch wie einer der Besoffskis versucht eine rechte Grade ans Kinn des Freundes zu plazieren, zum Glück kann der aber schnell genug ausweichen und schon gibt es einen Riesentumult in der Kneipe. Ich stell mich erstmal dazwischen, will ergründen was los ist, da kommt ein Typ auf mich zu und meint ich soll mich “verpissen, hier trinkt heute die Wilde Horde”. Musste ich erstmal herzhaft lachen.

Leider verging mir das ziemlich schnell, weil es dann doch ein paar Typen zu viel waren um ernsthaft Streit zu suchen. Mein Kumpel war in der Zwischenzeit Richtung Ausgang marschiert, weil er auf den Stress keine Lust hatte. Er kam aber gar nicht an die frische Luft, weil plötzlich die Polizei im Laden auftaucht. Der Kellner, der die Schmier gerufen hatte, erzählte uns später, dass die Toilettenfrau ihn eine Minute bevor die Situation eskalierte darauf aufmerksam gemacht hat, dass der Typ der sich schlagen wollte, anscheinend super aggressiv sei und man den im Auge behalten sollte. Der Mann hinter der Theke sieht also die Situation, fackelt nicht lange und ruft direkt die 110. Hat vielleicht zwei Minuten gedauert, da standen die im Raum. Jetzt wird es aber erst richtig tumultig. Schreit doch ein Mädel aus der Gruppe (in einem Tonfall und mit Worten, die ich hier nicht wiedergeben möchte und mir die Schamröte in´s Gesicht trieb) den ersten Polizisten an, ein Typ aus der Gruppe schreit in Richtung meines Kumpels, dass dieser ein Messer gezogen hätte (was natürlich gelogen ist) und der Asi, der den Streit angefangen hat, geht ohne zu zögern auf den zweiten Polizisten drauf und fängt an auf die Staatsmacht einzuschlagen. Huch. Ihr könnt Euch vorstellen, dass ganz schnell ein paar weitere Einsatzwagen vor der Tür standen und Tabula rasa gemacht haben. Das Ende vom Lied war, dass der Aggressor schwer auf´s Maul bekommen hat und mit der Acht abgeführt wurde, die ganze Gruppe “Wilde Horde” rausgeschmissen wurde und wir endlich etwas zu trinken bestellen konnten.
Jetzt kann man sagen, gut, passiert jeden Tag irgendwo, ist jetzt nichts “Wilde Horde”-Exklusives. Das stimmt wohl aber der Anlass passt zu schön in mein Bild dieser Gruppierung: Es ging wohl ursprünglich darum, dass mein Kumpel in die Karte schauen wollte, die an der Theke lag und mit dieser Handlung schon in die Besitzrechte der “Wilden Horde” eingedrungen ist. Das ist ja schon mal lächerlich genug. Jetzt hat sich der Freund aber auch noch erdreistet so ganz ohne Köln-Outfit in den Schmelztiegel zu gehen. Kein Trikot, kein Schal, nix. Jeans, Hemd, Schuhe, Uhr. Nix rot-weißes dabei. Das passte unserem Äffchen wohl auch nicht in den Kram und so wurde ich dann hinterher angemacht, dass das doch klar sei, wenn der (also der Schläger) denkt, der (mein Kumpel) wär nich effzeh.Geile Einstellung, oder? Aber das passt zum Selbstverständnis der Horde. Nur wir. Sonst nichts.

In Müngersdorf gab es früher noch die C.C.A.A., die im Oberrang Süd für Stimmung und Choreographien gesorgt haben. Die Mitglieder waren so mein Alter, meine Generation. Irgendwann kam es dann zur Abspaltung der etwas jüngeren Mitglieder zur “Wilden Horde”, die ziemlich zügig (auch auf Druck der Dauerkartenbesitzer im Oberrang, denen das Geplärre der Kinder recht schnell auf den Geist ging)  in den Unterrang Süd wechselten und heute die einzig relevante “Ultra-Gruppierung” in Köln darstellt.

Dass mir das ganze “harter-Mann-getue” und “per sempre Colonia” eh schon schwer auf den Geist geht, damit muß ich leben. Die Ultras sind mittlerweile ein Teil der Stadionkultur. Ich will das auch gar nicht in Frage stellen. Sollen sie machen, sollen mich dabei nur in Ruhe lassen. Die Konsequenz aus der Ultra-Bewegung ist doch, dass es in Köln doch  kaum noch eine lebende, sich  entwickelnde Fanszene gibt. Früher konnte man in die Südkurve gehen und irgendeiner hat was gesungen, dann wurde mitgesungen oder nicht und wenn nicht, hat ein anderer gesungen. Heute steht ein “Capo” auf´m Zaun, sieht nichts vom Spiel hat aber ein Megaphon in der Hand und diktiert dem Block was zu singen ist. Meistens ist das dann “Erster Fussballclub Köln”. Mit der “Wilden Horde” starb die Südkurve als “heterogene Einheit” und wurde zu einem reinen Chor, der die Vorgaben der Ultras umzusetzten hat. Wie gesagt, ich bin davon nicht betroffen, ich habe der Südkurve schon vor vielen Jahren den Rücken gekehrt aber wie soll der Fan-Nachwuchs eine eigenständige Kultur entwickeln, wenn er von klein an nur dazu da ist “Teil der Masse” zu sein um mal mit Buford zu sprechen? Ich habe ein Problem damit, mich instrumentalisieren zu lassen bzw. lassen zu müssen. Leider ist die heutige Fan-Generation gar nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass es sich um einen Brainwash handelt, weil die erstens: nichts anderes kennen und zweitens eh immer dümmer werden.  Sicherlich ist das nicht nur in Köln ein Problem. Schlag nach bei Sankt Pauli, deren Ultras gegen Rostock einfach einen Block sperrten und jeden Zuschauer vom betreten abhielten. Hier kommen wir dann wieder zum Selbstverständnis der Ultras zurück: Nur wir. Das überträgt sich dann anscheinend auch in das Lebens außerhalb des Stadions und führt zu der oben beschriebenen Situation. Nur wir. Und deshalb habe ich für diese Leute nichts übrig.

Kurz noch ein paar Sätze zum Spiel: Der FC natürlich mit einer eher defensiven Ausrichtung aber (vor allem in der ersten Halbzeit) einigen schönen Kontersituationen von denen Podolski eine hundertprozentige versiebt. Novakovic hatte die zweite Chance, traf aber nach schöner Ehret-Flanke nur die Latte. Werder in der ersten Halbzeit schwach, nach der Pause mit viel Druck aber wenigen Tormöglichkeiten. Natürlich gab es immer wieder Bälle in den Strafraum und auch ein paar Schüsse aufs Tor aber Thomas Kessler war gestern ein ausgezeichneter Mondragon-Ersatz und die Innenverteidigung mit Geromel und Mohammad stand sehr sicher und konnte die meisten gefährlichen Szenen schon vor Entstehung vereiteln. In der Nachspielzeit rettet Geromel klar mit der Hand, kassiert rot, Elfmeter, Frings, Tor. Auf der einen Seite ist das zwar schade für den FC, auf der anderen Seite ist zumindest Bremen wieder vor Leverkusen.

Interessante Zwischentöne gab es von Michael Meier im Halbzeitinterview, der einen sehr optimistischen Eindruck machte, was einen Verbleib von Tosic in Köln angeht. Natürlich muß er sagen, daß wenn ManU ihn zurück haben will, der FC keine Chance hat aber es hörte sich für mich nicht so an als hätte er bisher Signale aus England erhalten, die eine Rückkehr an die Tame nahelegen würden. Da hätte ich wenig gegen. Bei Petit wurde unter der Woche die Option bis 2011 gezogen, er bleibt also noch mindestens ein Jahr in Köln. Wie es bei Maniche aussieht, weiß ich nicht.

Nächste Woche steigt das letzte Heimspiel der Saison gegen Freiburg. Allein schon um den Abstiegskampf nicht zu beeinflussen sollte die Mannschaft nochmal alles geben und für einen versöhnlichen Abschluss der Runde sorgen.

So, das war´s. Ich hab immer noch ´nen Hals!

11 comments to Werder Bremen – FC: Ein Gesellschaftsstück

  • ChipImBall

    Paar aufs Maul kannst du von der Horde bekommen, oder von paar Leuten, die wissen wo dein Haus wohnt. Hängt wohl nur von der Location ab 🙂
    Du wirst langsam alt, aber mach dir nix draus. Gehört genauso dazu wie Haare in Ohren

    PS. der Blog sieht gut auf iphone aus, welches plugin von wp ist dafür zuständig ?

  • Was ist das denn für ´ne Aussage? Weil ich jetzt älter als der Durchschnittshordist bin, darf ich nicht mehr in die Kneipe? Willst Du mir sagen, dass ich “die Jugend” nicht mehr verstehe und deshalb selbst Schuld bin, wenn irgendwelche Vollhonks meinen sie müssten mich oder einen meiner Freunde blöd anmachen? Hier hängt gar nichts “von der Location” ab, das hätte sich auch in der Bahn nach Hause, im McDonalds oder im Starbucks genauso abgespielt: Besoffen-> Aggro-> Masse-> Selbstüberschätzung-> Königderwelt…

    Natürlich kann man das unter “Hörner abstoßen” abtun, wir werden uns alle schon mal daneben benommen haben, gar keine Frage. Ich sehe hier aber ein Selbstverständnis, welches ich nicht toleriere und mir schon lange auf den Zeiger geht. Das ist etwas völlig anderes als von irgendwelchen Leute die “wissen wo mein/dein Haus wohnt[que?]” eins aufs Maul zu bekommen. Da gehen wir dann die Richtung dass ich morgen auch vom Bus überfahren werden kann. Muss ich auch nicht haben, kann aber passieren.

    Bei der Horde bzw. bei den Ultras ist es aber so, dass die pure Masse das Selbstbewusstsein so stark macht, dass Grenzen völlig beiläufig und selbstverständlich überschritten werden und damit muss ich mich nicht abfinden.

    Ich will da jetzt auch kein Drama draus machen. Ist passiert, der Typ wird Sonntag ´nen schönen Schädel gehabt haben und vielleicht mal ans Nachdenken gekommen sein. Trotzdem gehen mir die Ultras schwer auf die Nüsse. Das kann dann aber tatsächlich an meinen Ohren liegen…

    RePS: Das Plugin ist mippin.com

  • ChipImBall

    OMG, in was für ein Wespennest habe ich da wohl reingestochen ??
    Beim Absacker auf das falsche Klientel treffen, kann dir überall passieren.
    (Puff,Bahn,Starbucks oder Schmelztiegel)
    Das ist heute so , und war vor 25 jahren auch so.
    Für dich waren es halt die neuen Ultras/Horde,
    für mich paar Halbstarke, die man entwender weghaut, oder aus dem weg geht.

  • Stimmt. Darum geht´s mir aber gar nicht…

  • ChipImBall

    Wenn es dir nicht darum geht, dann würfel doch nicht verschiedene Sachen im Blog zu einer zusammen, sowas verwirrt (mich zumidest)
    a.) du treibst dich an falschen Orten herum 🙂
    b.) Horde/wilde Horde/Südkurve/Ultras/Ultra Ultras/Ultra Horde gehen dir auf den Sack
    c.) Köln hat sich Mühe gegeben, aber unglücklich verloren.

  • a: meistens
    b: aber ganz gewaltig
    c: ja, kann man so stehen lassen

  • Kölner

    SELTEN so einen Mist gehört.. Junge, junge, lange gebraucht um dir so einen Mist in Deinem Ultra-Hass zusammenzureimen?

    P.S. Schon scheisse wenn im Schmelztiegel keiner was von Deiner tollen Story weiss…

  • Nö. ging eigentlich recht zügig. Da braucht man ja nicht lange überlegen, wie man was formuliert. Schrieb sich “fast wie von selbst”.

    Auch wenn Du selten so einen Mist gehört hast (wer hat Dir den Text den vorgelesen?), kann ich Dir versichern, dass die Belegschaft des Schmelztiegels ganz genau weiß, worum es geht, es wurde nämlich (von Seiten der Polizei) Anzeige erstattet und damit gehen Zeugenbefragungen einher.

    Und: Hass ist so ein starkes Wort. Ich hasse Pfirsiche. Und Oliven. Für Ihre Niedertracht. Aber die Ultras? Nee, die hasse ich nicht, ich verachte nur die Grundidee und ihren Einfluss auf den Rängen und wie es scheint bin ich da nicht alleine.

  • CGN CTY

    Poah wirklich klasse Blog. Schmelztiegel, das neue Stammlokal der WH.
    Bist du wohl eher auf irgendwelche Kölner Straßenasis getroffen, die sich für 19,96 Euro ‘ne Fördermitgliedschaft zugelegt haben.

    Oh mann, Leute gibt’s.

  • kölsche jung

    wann soll das ganze passiert sein?

  • In der Nacht von Samstag auf Sonntag, ca. 02.00 Uhr. Für mich sah das so aus, als seinen die Leute grade aus Bremen zurück gekommen. Und mir ist es auch völlig egal, ob das irgendwelche Straßenasis waren, die sich wichtig machen wollten oder ob es wirklich Typen der “Wilden Horde” waren, der Kerl hat sich so “vorgestellt”, dann nehm´ ich das so hin.

    Aber nochmal: Für Alle. Zum Mitschreiben (oder erzählen lassen):
    Darum geht es doch gar nicht! Es ist letztlich nix passiert und ich schrieb es selber, dass man so etwas jeden Tag an überall erleben kann. Es geht nicht um den Vorfall als solchen, sondern darum, dass ich das Gehabe und Getue der “Ultras” nicht abkann und deshalb diesen Abend nur als Einstieg nutze um gegen die elitäre Einstellung der WH zu schreiben. Hoffe das das jetzt kapiert worden ist.

    Falls Ihr den Text richtig gelesen habt, dann schreibe ich, dass die Ultras ein Teil der heutigen Stadionkultur sind und ich mich damit abfinden. Deshalb muss ich das noch lange nicht gut und richtig finden.

    So. Damit ist hier ein Deckel drauf, denn irgendjemand hat den Text im KSTA gepostet und der gemeine Forentroll und Internethooligan lässt sich so eine Vorlage ja nicht entgehen und spammt mir die Bude voll. Widdersehn.