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Bremen – FC: 28 Weeks later

Wir können uns alle noch erinnern. Der 25. August in Monaco. Eine Ewigkeit ist es her, ein ganzes Leben fast. Wir lagen uns wieder in den Armen, schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und tanzten an diesem Freitag wie von Sinnen durch die Stadt. Arsenal! Roter Stern! Alter! Wir schauten uns an, mit einem Glanz in den Augen, der einer ganzen Generation von FC-Fans bisher verwehrt geblieben war. Wir wussten – tief in uns drinnen – dass wir so etwas vielleicht nie wieder erleben würden, dass es ein Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes darstellt, dass eine Wiederholung, sollte sie denn überhaupt möglich sein, nie wieder diese Katharsis, diese völlige Reinwaschung von allem fußballerischen Übel sein wird. Sein kann. Wir genossen den Moment, wie wir noch nichts im Fußball genossen haben. Weltmeister? Hab ich morgen wieder vergessen. Es war mit nichts auf der Welt zu vergleichen.

28 Wochen später ist die Welt eine andere.

Abgeschlagen Letzter in der Liga, Trainer weg, Sportdirektor weg, im Innenverhältnis zerstrittener als die Grünen unter Joschka Fischer. Die Saison ist eine einzige negative Schlagzeile. Es ist als wären wir am 25.08. in einen wundervollen Fiebertraum gefallen und wachen nun schweißgebadet in der Realität auf. Okay, natürlich waren wir auch vorher schon mal wach und haben nach draußen geguckt aber irgendwie sah das noch alles nach Welt aus. Die Bäume waren noch da und die Vögel auch. Heute stapfen wir durch eine Zombie-Apokalypse. Im Hintergrund brennt das Geißbockheim.

All die Fehler aufzuzählen, die uns an diesen Punkt ohne Wiederkehr geführt haben, wäre eine wahre Herkulesaufgabe also lasst uns nur den wichtigsten nehmen: Der Kader ist schlecht. Wir sind ja letzte Saison nicht nach Europa gekommen, weil wir so gut waren, sondern weil die Liga so schlecht war. Wir profitierten von der unfassbaren Quote von Tony Modeste, wir hatten Spielplanglück, es kam einfach alles zusammen und kaschierte die – auch schon im letzten von vorletzten Jahr vorhandenen – Probleme so sehr, dass es uns und die Verantwortlichen blind machte. Es war ein zuckersüßer aber vergifteter Trank Glück, den wir da gierig in uns rein stürzten.

Erinnert Euch bitte an die Rückrunde. Nach dem Sieg in Darmstadt haben wir keinen Sieg mehr auswärts eingefahren. Zwischen dem Aus im DFB-Pokal in Hamburg und dem nächsten Sieg in der Liga (zu Hause gegen Hertha) lagen fünf Spiele ohne Sieg. Insgesamt gewannen wir seit dem 17.02.2017 nur vier Spiele und verloren sieben! Das ist nicht die Bilanz einer Mannschaft mit europäischen Ansprüchen. Es war uns egal. Irgendwie klappte es ja trotzdem. Wir wussten, dass wir rechts eine Schwachstelle haben. Wir wussten, dass es im zentralen Mittelfeld nicht auf Dauer gut gehen kann und was wir wirklich wussten war, dass man Modeste nicht genug danken kann, für das was er da geleistet hat. Wir kannten die Baustellen. Am 20.05. standen wir auf den Ringen und am Zülpicher Platz, prosteten uns zu, keine Gedanken an irgendeine Sorge in der Welt. Wir haben Stöger, wir haben Schmadtke, jetzt haben wir auch die Kohle, jetzt wird es besser. Die Leute sind ja nicht blind.

Es war wie Ferien auf dem Bauernhof. Naiv und unschuldig.

Mit der Bewertung des Sommers in Köln wird es aber jetzt doch schwierig. Ich möchte es bewusst überspitzt formulieren: Entweder ist Schmadtke nicht der smarte Manager, für den er allgemein gehalten wird, oder er hatte es sich zum Ziel gesetzt den FC nachhaltig zu zerstören. Es gibt da fast kein Zwischending. Aufgrund der vorherigen Transferperioden (Clemens, Rudnevs, to name a few) tendiere ich immer noch zu Lösung A, obwohl ich dem Charme von Option B durchaus auch etwas abgewinnen kann. Ohne auf die zwischenmenschlichen Gerüchte zwischen Stöger und Schmadtke näher eingehen zu wollen, kann man es, wenn man ein wenig bösartig ist und sich Schmadtkes bisherigen Stationen anschaut, durchaus als ein Muster erkennen und die Augen in der Zukunft offen halten.

Es wurde keine der Baustellen geschlossen, der Kader wurde signifikant schlechter, es gab keinen Spielplan hinter den Verpflichtungen (wer soll Zielspieler sein? Osako? Zoller? Oder gar wirklich Cordoba?), es war unausgewogen und viel zu teuer. Die Saison wurde ein Debakel mit Vorankündigung. Wir spielten die schlechteste Hinrunde in der Geschichte, wir waren nicht mehr als ein Sandsack für den Gegner. Und dennoch fahren wir mit 5.500 Menschen nach Belgrad, der FC kann machen was er will, er ist nun mal der Club dieser Stadt und diese Stadt ist manchmal eigen.

Zitternd und durchnässt, wütend und müde, ohne Feuer dafür mit schmerzenden Füßen standen wir einen Tag nach Nikolaus im Stadion Rajko Mitić, sahen ein Spiel, welches man nur mit sehr viel gutem Willen als Fußball erkennen konnte und spätestens dort, an diesem eigentlichen Sehnsuchtsort, wurde es uns allen klar: Wir sind wieder auf Null. Wir sind wieder der Scheißverein der letzten 25 Jahre. Wir sind wieder mal Boden, am Tiefpunkt, liegen mit der Schnauze schon im Wasser und kriegen keine Luft mehr. Wir werden nie wieder hier sein. Wir werden nächstes Jahr um die Zeit in Aue stehen oder in Magdeburg. Es ist vorbei und alles ist verloren singen leise die Wise Guys.

Später in der Nacht stehen wir im Hotel auf dem Balkon, schauen auf die Stadt, rauchen noch eine Zigarette, rekapitulieren das Spiel. Einer sagt dass es keinen Spaß mehr macht, dass er keinen Bock mehr hätte. Wir stimmen zu und lachen dann fast wahnsinnig auf. Es nützt ja nichts, wir wissen, dass wir von diesem Verein nie loskommen werden. Jedenfalls nicht in Gänze.

Genauso geht es mir heute. Gott, das war eine lange Vorrede, nicht wahr?

Das Spiel in Bremen, wieder ein neuer Versuch den letzten Platz an den HSV abzugeben, war wieder nichts als pure Enttäuschung. Der FC spielt mMn die erste Halbzeit völlig ohne Plan, er sieht zwar nominell offensiv ausgerichtet aus, auf dem Platz sieht man aber davon nichts. Es fand eigentlich gar kein Aufbauspiel statt. Keine schnellen Bälle auf die Außen, nicht einmal aggressives Pressing, keine Versuche den Ball zu erobern und dann auch etwas mit diesem anzustellen. Die zwei Situationen, in denen der 1.FC Köln vielleicht mit ein wenig Druck nach vorne hätte spielen können, weil man im Mittelfeld ungefähr zwei Saarland-Größen Platz hatte, wurden durch Yuya Osako recht schnell entschärft. Sonst war da nichts. Es gab vorne auch keine Anspielstationen, denn Claudiao Pizarro (dem man für sein biblisches Alter immerhin noch eine Teilnehmer-Urkunde ausstellen kann) und Simon Terodde rannten wirkungslos im Kreis. Koziello versuchte immerhin ein paar Dribblings, blieb aber auch hinter den Eindrücken von den Spielen gegen Leipzig und Stuttgart zurück. Okay, das ist aber nicht weiter schlimm, der Junge macht Spaß und hat den Ball nicht zum Feind. Eine Eigenschaft, die in dieser Mannschaft immer noch nicht unglaublich weit verbreitet ist.

In der zweiten Halbzeit wurde es durch die Hereinnahme von Leo Bittencourt ein wenig besser aber insgesamt ist das dann auch zu wenig, wenn du dich nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich anstellst wie Marco Höger vor dem 2:1. Dieser Kopfball ist eine perfekte Zustandsbeschreibung des 1.FC Köln im März 2018. Irgendwas hat man vor aber man weiß nicht genau was, oh, da ist der Ball ja schon, okay, dann köpfe ich ihn mal irgendwo hin. Huch. So benehmen wir uns auf allen Ebenen. Das ist mit Frechheit noch wohlwollend umschrieben. Ja, jeder kann Fehler machen, ich weiß. Ja, ich mache auch Fehler. Ja, wichtig ist, dass man daraus lernt. Ich weiß es, gottverdammt. Das Problem ist: Wir machen dauernd Fehler. Irgendein Spieler hat in jedem Spiel seinen Aussetzer. Sörensen, Horn, Höger, Özcan, Heintz, Jojic, die Liste ließe sich, je nach dem wo man den Fehler als wegweisend für das Gegentor ansetzt, beliebig fortsetzen. Es stimmt einfach qualitativ nicht in dieser Mannschaft.

Dazu kommt dann noch, dass du die einzige Flanke, die Marcel Risse in den Strafraum bringt dann auch noch vergibst wie der Papst den Sündern und dann gucken wir uns wieder an und wissen nicht weiter. Die Spiele gegen Stuttgart und Bremen waren einfach noch mal ein Schlag in die eh schon reichlich ramponierte Magengrube. In beiden Spielen schlagen wir uns selbst. Beide Gegner waren weiß Gott nicht unschlagbar und die Vorlagen der Liga, sich doch noch einmal in den Abstiegskampf zu robben, lagen auf einem silbernem Tablett mit akkurat gefalteter Serviette.

Es soll dieses Jahr nicht sein und wir dürfen uns darüber nicht beschweren. Die Probleme sind alle hausgemacht. Es gibt keine dunkle Macht, die dem effzeh an den Kragen will, es gibt keine Weltverschwörung und keine finsteren Pläne der DFL. Wir sind an allem selber schuld, weil wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben. Aber Ruthenbeck hat bestimmt gute Ansätze gesehen. Ist ja auch was wert.

Sei es wie es sei, ich wünsche mir vom 1.FC Köln in dieser Saison nicht mehr viel. Ich wäre froh, wenn man die Spielzeit mit Anstand und Würde zu Ende bringt, wenn man sich im Sommer dann (erneut) neu aufstellt und wenn man sich überlegen würde, dass wir, die Mitglieder und Fans des Vereins, immer noch die sind, die den Verein zu etwas besonderem machen. Wir werden auch nächstes Jahr nach Müngersdorf gehen, wir werden auch nächstes Jahr wieder tausende Kilometer mit der Mannschaft reisen und wir werden im Sommer 2019 wieder am Steinauto stehen und die Stadt wird tanzen. Wir sind der 1.FC Köln, das ist dann eben so.

In Belgrad saßen wir in der Kneipe und fragten “Liebst Du den Verein überhaupt?”.

Ja, Mann, ich liebe den Verein. Ich bin verloren. Es ist der 1.FC Köln.

Auch 28 Wochen später.

3 comments to Bremen – FC: 28 Weeks later

  • Michael

    Den Satz über Ruthenbeck hättest du dir sparen können. Das ist die ärmste Sau von allen. Er trägt keine Schuld am Kader und an den katastrophalen drei Punkten die sein Vorgänger verursacht hat. Nimmt man die Rückrundentabelle als Maßstab stehen wir (auch wenn mit Tendenz nach unten) dort immer noch auf Platz 11. Was mit diesem Kader, fast ein mittleres Weltwunder ist. An den Aussetzern von Horn, Heintz und co. kann kein Trainer der Welt was ändern. Himmel wir müssen mit einem 39jährigen Stürmer spielen weil der Rest anscheinend zu schlecht ist (Besonders der 17mio. Tünsel – der Marco Reich als schlechtesten Einkauf der FC Geschichte eindeutig ablöst)

    Und keine Ahnung ob ich nächste Saison nach Aue fahre (Gibt es im neuen Stadion noch den Wursttopf?). Ich bin einfach zu leer und emotionslos. Gestern Abend die FC-App gelöscht und in allen Sozialen Medien den FC disliked. Ich kann und will einfach nichts mehr vom FC lesen und bin jetzt hier gelandet. Bravo.

    Achja, natürlich habe ich eine Karte für das Spiel gegen die Pillen. Wie sollte es auch anders sein?

  • Kevin H.

    Ich kann dir eigentlich nur das gleiche schreiben, Wie auch unter den letzten Text. Du nimmst mir die Worte aus dem Mund, sprichst mir aus meiner stadtverliebten, freundlich naiven Kölschen Seele. Und trotzdem versucht etwas in mir, mir dennoch einzureden, dass alles gut werden kann , dass es quasi gut gehen muss. Was? Wieso?

    Wahrscheinlich ist es der gleiche Teil in mir, der dazu führt das ich jedem in meinem neuen Wohnort in Ostwestfalen, zeigen möchte was mir diese Stadt bedeutet, wie ich in diese Stadt auch nach 25 Jahren verliebt Bin wie am ersten Tag, mit rosaroter Brille und Kribbeln im Bauch.

    Es führt dazu das ich jedesmal vor einem Spiel himmelhochjauzend denke ,, dieses mal belohnen wir uns”, ,,dieses mal nutzen wir unsere ( mit bloßem Auge kaum noch zu erkennende) Chance.”

    Der Effzeh vollführt dann den Tanz den er dieses Jahr immer und immer wieder aufführt.

    Man beginnt schlaftrunken hypnotisch hin und her zu wippen und auf den Anfang der eigenen weltmeisterlichen Salsa Kür zu warten die doch ,so glaubt es doch jeder in unserer Stadt in uns schlummert.

    Der Knall der uns aus unseren Tritt reißt ist jedoch leider wie zu oft nicht eine frühe Führungoder jemand in der Mannschaft der das Zepter an sich reist, sondern ein individueller Fehler nach einem Standard. Diese ganze Situation sollte uns die Augen öffnen; dass es nichts wird und wir mit dieser Leistung in eine Liga mit Aue, Heidenheim etc. Gehören .

    Meine Einsicht erfolgt dann schnell. Oberflächlich und kurz. Ich verfluche den Effzeh, die planlosen Versuche dem gleißend hellen Licht am Ende des Tunnels zu entkommen und jede undurchdachte stürmische Reaktion, eines Teenagers in der Brunft gleiched.

    Dann erfolgt nach einem motivierten Start der Ausgleich durch Osako, der entweder wie ein fusskranker Innenverteidiger aus der Kreisklasse seine Chancen vergibt oderaber wie eben in dieser Situation zeigt das Potential in dieser Mannschaft wirklich vorhanden sein kann.

    Ich freue mich, Ich schreie alle Anspannung und Angst heraus, Peitsche die Jungs und mich selbst im Sessel an . Schlage mir wie ein Schimpanse völlig losgelöst von jeder Konvention auf die Brust und denke plötzlich, ALLES IST MÖGLICH.

    Leider braucht es dann nur gefühlt 120 Sekunden bis der effzeh mich daran erinnert, Wo ich fußballerisch herkomme und was ich mit diesem Verein eigentlich verbinde. Stolz, Euphorie, Herz und ENTTÄUSCHUNG.

    Es ist wie in einer Beziehung in der man es immer und immer wieser miteinander versucht , den guten alten Zeiten zuliebe.
    Nur man könnte diese Liebesbeziehung beenden, und glaub mir das wollte ich oft, Aber es dauert zumeist genau sieben Tage bis ich nach meiner Abstinenzankündigung, ,,verkatert mit Erinnerungslücken spärlich bekleidet neben diesem Verein aufwache uns mich Frage wie es soweit kommen konnte obwohl ich es tief in mir drin weiß.

    Vielleicht muss ich mich damit anfreunden, dass mein effzeh einfach so ist und ich trotzdem nicht aufhören werden kann all das großartige aus den vergangenen Jahren immer und immer wieder zu träumen mit der Hoffnung, dass EINES TAGES alles besser wird aber EINES TAGES IST NICHT HEUTE.

  • Auch wenn die fühlbare Bitterkeit der Situation durchaus auch für Außenstehende bedrückend ist (wenn sie, so wie ich, Sympathien für den FC hegen), ist mir nicht entgangen, dass du den FC Magdeburg bereits als Zweitligisten anführst. Ob absichtlich oder nicht – danke dafür 😉

Haut rein, schreibt mir was!