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Mir sin eins. Oder zwei. Oder drei.

Ob du wirklich richtig stehst, siehst du, wenn das Licht angeht. Ist halt doof, wenn gar kein Licht vorhanden ist, ne?

Am Ende waren es 50.000 Leute, die auf die Stadion-Vorwiese kamen um dem Saisonauftakt des vormals ruhm- und glorreichen 1.FC Köln beizuwohnen. Ein ganzes Stadion voll. Ich habe es mir gespart. Wie immer eigentlich. Ich war genau ein Mal auf einer Saisoneröffnung, das war noch am Geißbockheim, wo ein Spielchen gegen Ford Niehl auf dem Programm stand. Wir waren vielleicht zehn Minuten da, dann sind wir wieder gefahren. Eine Veranstaltung, die (für mich!) so unnötig ist wie noch eins aber eben zum modernen Fuppes dazugehört. Höhner müssen ran, Mo Torres darf nicht fehlen und Kasalla geben dann dem Schunkelvolk den Rest. Das ist ja auch okay, ist nicht mein Ding aber muss ja auch nicht, dafür gibt es genug Menschen, denen das Freude bereitet und genau dafür sind wir eben ein großer, vielfältiger Verein. Was mich aber wirklich stört, ist die Hip Hip Hurra, alles ist super, alles ist wunderbar Tonalität der Veranstaltung.

Vergessen die letzte Saison, aus dem Gehirn gelöscht, getilgt, verdrängt. Der schlechteste 1.FC Köln aller Zeiten? Muss ein finsterer Traum gewesen sein. Rechtsverteidiger? Bruche mer nit, mir sin doch der effzeh. Tore? Schießen wir dreitausend Stück, es ist doch nur die zweite Liga. Eine Saisoneröffnung zur zweiten Liga, mit einem Innenverhältnis im Verein, das mit “gespalten” noch sehr, sehr zahm umschrieben ist unter das Motto “Mir sin eins” zu stellen, zeugt schon von enormen Selbstbewusstsein des Vereins und der handelnden Personen.

Ich bin, nachdem ich die Zitate des Vorstands gelesen habe, einfach nur noch fassungslos. Mir fällt nichts, aber auch gar nichts mehr zu diesen Leuten ein.

Werner Spinner teilt mit: „Wir sind top aufgestellt, nur in der falschen Liga. Ich gehe davon aus, dass wir das schnell reparieren und aufsteigen.“

Nein, Herr Spinner. Wir sind genau da, wo wir hingehören. Wir waren in der letzten Saison der schlechteste Fußballverein in der Bundesliga. Mit weitem Abstand. Wir haben uns in Europa sportlich blamiert, wir haben uns in der Liga zum Gespött gemacht, es war ein Versagen auf ganzer Linie. Sportlich aber auch in sportpolitischen Fragen. Der geglückte Versuch des Vorstands durch gezielte Stimmenkäufe auf der letzten Mitgliederversammlung für genehme Abstimmungsergebnisse zu sorgen, der Umgang des Vorstands mit Vorstandskritikern, der Umgang der Stadionverbots-Kommission mit angeblichen Tätern, der Versuch einzelnen Mitgliedern und/oder Fanclubs durch gezielte und fein justierte Drohungen mundtot zu machen, die Tonalität gegenüber den kritischen Fans, die halbgaren Äußerungen bezüglich der Stadionfrage, es gibt tausend Sollbruchstellen beim 1.FC Köln im Juli 2018. Und der Präsident stellt sich hin und erklärt freudestrahlend: Alles gut, Leute.

Mir sin eins.

Ein paar Kölsch weiter kommt dann Toni Schumacher um die Ecke und lässt sich ebenfalls nicht lumpen: „Wir haben mit den Hamburgern beschlossen, uns den Rest vom Hals zu halten. Wir haben ein tolles Trainerteam, eine tolle sportliche Leitung, eine Klassemannschaft. Ich will Erster werden.“

Das muss man erstmal sacken lassen.

Sekunde.

Alle fertig gekotzt? Ja? Gut. Was für ein arroganter Scheißsatz. Welch Überheblichkeit. Nochmal: Schlechtester FC aller Zeiten, verdientester Absteiger in der Geschichte der Liga. Da kann man die zweite Liga auch mal mit einem anderen Habitus angehen und vielleicht erstmal abwarten. Muss man nicht, seh ich ein. Kann man aber. Ja, auch für mich gehört der 1.FC Köln qua Naturgesetz natürlich nicht in die zweite Liga. Das ist die angeborene elitäre Arroganz, die man als Fan dieses Clubs eben hat. Ob berechtigt oder nicht, sei dahingestellt, es ist eben so. Ich bin mir sicher Stuttgartern, Gladbachern, Frankfurtern und sogar Lautern-Fans geht es nicht anders. Ich bin aber eben ein Fan und darf das als Überzeichnung und als Selbstverständnis durchaus so äußern, weil es eh egal ist, was ich denke und mir auch niemand zuhört. Es ist als würde ich die Wand anschreien.

Bei Toni Schumacher liegt die Sache eine Nuance anders. Er ist immerhin Vizepräsident, er weiß, dass seine Worte zitiert werden und dass die Leute, jedenfalls die, die auf die Saisoneröffnung gehen, an seinen Lippen kleben. Er darf diesen Satz nicht sagen. Er reißt den HSV schon mal mit in die Arroganzfalle, das freut die sicherlich, er setzt die Mannschaft vor dem gottverdammten ersten Spiel einem unnötigen Druck aus und vor allen Dingen ist dieser Satz der taktisch unklugste Move seit Günther Oettinger Digital-Beauftrager wurde. Als ob die Sandhausens und Bochums dieser Welt nicht eh schon bis in die Haarspitzen motiviert wären dem “großen” 1.FC Köln in die Suppe zu spucken. Da kann ich doch auch mal den Kopf einschalten, Herrgott und vielleicht nicht direkt in den sechsten Gang hochschalten. Vor allen Dingen nicht in einem Golf IV, der nur fünf Gänge hat. Mann, Mann, Mann. Da sagt man eben: “Es wird sicher nicht einfach werden aber unser Anspruch ist natürlich der Aufstieg, da müssen wir ja nicht drumrum reden. Und wenn ich mir unsere Mannschaft anschaue, dann denke ich schon, dass wir dazu auch das Zeug haben werden.” Der Applaus wäre sicher nicht sonderlich leiser ausgefallen als nach dem Proll-Jubel-Bierstand-Volkszelt-Satz da oben. Man hätte nicht direkt die ganze Liga ins Achtung gestellt, man hätte sich nicht direkt zum Unsympath Nr. 1 gemacht und vielleicht, ganz, ganz vielleicht hätte das auch der Mannschaft eine andere Botschaft vermittelt als dieser Schwachsinn.

Was ich nicht verstehe: Das ist ja nicht das erste Mal, dass Schumacher für billige Zustimmungsschreie einen raushaut. Das muss ihm doch mal einer sagen. Da muss doch ein Werner Spinner mal hingehen und sagen: “Tünn, mach langsam, die Saison ist lang, der HSV will auch hoch und es gibt immer eine Überraschungsmannschaft in der Liga”.

Oder? Spricht der Vorstand vielleicht gar nicht miteinander? Was ist da los?

So ist es wieder mal der 1.FC Köln in Bestform. Traurig aber wahr, zum lachen ist es nicht mehr.

[Update, 30.07.] Der EXPRESS, von dem ich die o.g. Zitate habe, hat diese geändert. Schumacher sagte: „Ich habe im Urlaub einige Hamburger getroffen und mit ihnen beschlossen, dass wir uns den Rest vom Hals halten. Wir haben ein tolles Trainerteam, eine tolle sportliche Leitung, eine Klassemannschaft. Der Spieler in mir sagt: Ich will Erster werden.“

Gut, das stellt sich schon etwas anders dar, zugegeben und es ist auch nicht mehr mit der Schärfe zu kommentieren, wie oben geschehen. Das erste (verkürzte) Zitat liest sich tatsächlich arrogant und herablassend dem Rest der Liga gegenüber, das vollständige Zitat liest sich eher wie ein nonchalanter Satz, der eben fällt, wenn man gute Stimmung machen will. Die Wirkung ist aber die gleiche und an der problematisch-arroganten Grundhaltung ändert sich gar nichts. Klar muss der Auftrag sein aufzusteigen, da müssen wir doch nicht drüber reden und selbstverständlich hilft es niemanden, dieses nicht auch ganz klar zu kommunizieren. Aber die Wirkung der Worte auf Außenstehende ist ja immer eine andere, als die Innenansicht. Jetzt bin ich Robin Dutt und spiele in ein paar Tagen gegen diesen FC. Wisst Ihr, was ich machen würde? Ich würde mir die Aussage von Toni Schumacher auf A0 ausdrucken lassen, an die Kabinentür hängen und jeden Spieler fünf Mal am Tag daran vorbeigehen lassen. Guckt mal hier, für die ist die Liga schon entschieden. Er hat also mit ein paar Hamburgern im Urlaub beschlossen, dass die sich uns vom Hals halten. Die Wirkung des Satzes wird dort eine andere sein, als auf den Stadionvorwiesen.

Ja, Leute, ich verstehe, was Schumacher sagen wollte und ja, ich kann auch verstehen, dass es ein Witz sein sollte. Stimmung und so. Ist ja alles in Ordnung. Man muss sich dann aber auch nicht wundern, wenn der Moderator und Stadionsprecher Michael Trippel dann voller Euphorie verkündet: Dann stehen die ersten beiden Teams ja schon fest”

Es bleibt dabei, dass ich die ganzen euphorischen Aussagen und dieses plumpe “Unfall. Reparieren. Gut ist.” für nicht hilfreich halt, was Timo Horn anscheinend ja nicht anders sieht:

„Da hat uns der Vorstand ja schön einen rausgehauen und direkt mal Druck aufgebaut. Für uns gibt es aber auch keine andere Option. Man darf nicht vergessen, dass es ein langer schwerer Weg wird. Aber wir werden spielerisch in keiner Partie unterlegen sein.“

Die Fußballwelt ist keine Insel ohne Fernschreiber. Auch das lesen die anderen Teams. Nochmal, um es klar zu machen: Es geht mir nicht darum, dass der 1.FC Köln duckmäuserisch auftreten sollte. Auf gar keinen Fall. Der Anspruch muss sein die Liga zu dominieren, dafür ist der Kader zu gut. Aber man muss halt auch nicht so tun als sei es ein Sonntag-Nachmittag im Phantasialand. Der Verein ist sportlich in einer absoluten Bringschuld und mMn bringt es niemandem etwas, wenn wir uns von Beginn an so darstellen, als sei das alles kein Problem. Es gibt genügend Gegenbeispiele. [/Update]

[Update 2, 30.07.] Die Kölnische Rundschau zitiert Schumacher übrigens folgendermaßen: „Mit den Verantwortlichen vom HSV habe ich besprochen, dass wir uns gegenseitig alle anderen vom Hals halten!“ 🙂 [Update 2]

PS: Toni Schumacher wird Botschafter für die EM-Bewerbung 2024. Frankeichs Stimme ist uns also schon mal sicher. Grüße.

5 comments to Mir sin eins. Oder zwei. Oder drei.

  • Kilino

    Dieser Verein ist kein Stück sympathischer als der HSV in den letzten Jahren.
    Wäre ich kein Fan würde ich jede Niederlage hämlisch beklatschen. Und auch so habe ich echt Identitätsprobleme.

  • Anonymous

    Ich stimme dir insgesamt durchaus zu, aber ich habe die Aussagen vom Tünn etwas anders in Erinnerung (war wegen der Kinder da).
    Danach gefragt wer denn in der 2. Liga oben mitspielen würde (o.ä.), sagte er er hätte im Urlaub irgendwelche Hamburger getroffen und mit denen beschlossen, sich die anderen vom Leib zu halten. Ist meiner Meinung nach ein bisschen weniger schlimm als das was oben steht.
    Dann wurde er gefragt, welchen Platz der Effzeh erreichen würde und sagte, wenn man ihn als Spieler fragen würde, wolle er Erster werden. Das ist zwar rumgewieselt, aber nicht ganz so grosskotzig wie das Zitat oben.
    Ob das jetzt einen Unterschied macht: Keine Ahnung 😉

  • Anonymous

    Was regt ihr euch denn auf? Toni hat doch nur das gesagt, was nahezu 99% aller Effzeh Fans denken, Wir sind besser als alle anderen Vereine in der 2. Liga nach dem Motto: Nur 1 Jahr, dann sind wir wieder da. Das lebt man so in Köln und Umgebung, wem das nicht gefällt, der soll sich verziehen. Im Ernst: Welche beiden Vereine sollen denn vor uns stehen am Ende der Saison? Wenn wir diese Saison nicht aufsteigen, dann haben wir uns mal wieder selber ein oder mehrere Beine gestellt..in diesem Sinne: am 19. Mai 2019 Aufstiegsparty in Köln….

  • Rhinefire!

    Hi Axel,
    ich bin froh endlich wieder von dir lesen zu können. Deine Art des Schreibens ist so schön emotional getrieben; da macht mir das Antworten gleich doppelt Freude.
    Nach der Europaqualifikation und einer angeschlossenen Katastrophen-Saison, habt ihr dieses Jahr wieder eine große Herausforderung vor euch. Kampf um Europa, Kampf um den Verbleib in der Liga und jetzt Aufstiegskampf vom ersten Tag an. Jeder eurer Spieler wird gefordert sein und gerade diejenigen, die es letztes Jahr verpatzt haben, dürfen über ein ganzes Jahr hinweg nicht nachlassen. Egal ob nach 5 Siegen, 2 Unentschieden oder 1 Niederlage.
    Dass eure Präsidentschaft um Fanbeliebtheit bemüht ist, kann ich verstehen. Ablenkung ist gut und hilft die nächsten Monate dabei das Image wieder aufzupolieren. Denn mit einem, der zwei besten Kader der Liga, kann es niemals Schuld des Präsidiums sein, sollte der Aufstieg nicht klappen.
    Und dennoch wünsche ich mir als Rivale aus Gladbach, dass man euch bald wieder in der 1. Liga sieht.
    Grüße aus nördlicher Richtung

  • Weezle95

    Hallo Axel,

    mit Vergnügen gelesen. Die Rot Weißen Clubs am Rhein hatten schon immer ein Faible zur gewissen Überheblichkeit.
    Bei uns hat sich das in den letzten Jahren gelegt. Seit Autohändler, Metzger oder Kunsthändler keine Präsidenten mehr sind.
    Als neuer Erstligist, der hoffentlich die Klasse hält, wäre es eine Freude mit dem FC bald wieder in einer Liga zu spielen.
    Gruß aus Ddorf

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