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Trepp eraff

Schlägt man die Tageszeitung oder das örtliche Amtsblättchen auf, kommt man irgendwann, wenn man diszipliniert und sachlich keine Seite überschlägt, zu den privaten Anzeigen, die neben allerlei frivoler Anbändelei auch den traurigen Nutzen haben über Verstorbenen-News zu unterrichten. Nicht selten liest man: “Als die Kraft zu Ende ging, war’s kein Sterben, war’s Erlösung.” Und auch wenn der Vergleich natürlich hanebüchen ist, denn der 1.FC Köln ist weit davon entfernt das Zeitliche zu segnen, so passt dieser Spruch doch einigermaßen auf die, lasst sie uns einmal “verkorkste Saison” nennen. Vor recht genau 49 Wochen feierten wir den Einzug in den Europapokal, tranken die Stadt leer und sangen uns in die Herzen der viral denkenden Clickbait-Journalisten aus ganz Deutschland. Schaut nach Köln, die reißen da alles ab. Hast du das Video von dem Radfahrer schon geteilt? Gold, pures Gold!

Wenig wussten wir von der Zukunft und es kümmerte uns auch einen Dreck. Wir zählten die Tage bis zur Auslosung in Monaco, wir lachten einen ganzen Sommer. In London, in Misnk, in Belgrad. Die Tage wurden zwar wieder kürzer aber wer kann uns denn was? Leute, wir stehen hier nachts um halb eins noch im Stadion, haben keine Ahnung wie wir nach Hause kommen, es ist kalt, die Füße tun weh, wir haben Hunger und Durst, ich bin mit meinem Fußballverein gerade im wahrscheinlich schlechtesten Spiel der letzten 140 Jahre organisiertem Fußball aus der Gruppenphase der Europa League ausgeschiedenes, ist alles scheißegal, wer soll mir irgendwas können?

Natürlich war zu diesem Zeitpunkt schon alles gegessen. Die Bundesliga war lange verloren, der Preis für die Katharsis nach 25 Jahren war hoch. Über die Winterpause kam der Kater, wir schauten ernüchtert auf die Tabelle und wussten, dass der Sommer endgültig vorbei war. Keine Sonne kam mehr durch die dunklen Wolken über der Stadt.

Es regnete.

Und heute stehen wir vor den Trümmern der letzten vier Jahre. Mit der Verflichtung von Peter Stöger und Jörg Schmadtke ging der Börsenkurs immer weiter nach oben, die Analysten überschlugen sich mit Zukunftsprognosen. Kaufen! Kaufen! Bis dann mal die Börsenaufsicht genau hingeschaut hat und sachlich feststellte, dass es sich vermutlich um ein kriminelles Pyramidensystem handelt und der Kurs einstürzte wie ein schlecht geplanter Hochhausabriss. Ungläubiges Staunen in den Expertenrunden. Wie konnte das passieren? Was hat man übersehen? So richtig konnte man es sich nicht erklären.

Über die Gründe für den beispiellosen Absturz dieses Fußballvereins haben wir schon oft gesprochen, sie sind so offensichtlich wie unnötig, sie sind aber nun mal nicht mehr zu korrigieren. Uns bleibt keine andere Wahl, als die Konsequenzen zu akzeptieren. Zum sechsten Mal muss der 1.FC Köln den Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Rut-wiess is the new black. Nach der Niederlage in Freiburg ist es dann jetzt auch endlich rechnerisch entschieden. Es bleibt keine Zeit mehr zu handeln.

Lasst uns auch gar nicht groß drum rumreden, der Abstieg ist so verdient und gerecht wie selten etwas im Fußball. 22 Punkte nach 32 Spielen, die mit weitem Abstand schlechteste Abwehr der Liga, die viert-wenigsten Tore erzielt, eine Mannschaft, zusammengestellt ohne Plan und Verstand, wir dürfen uns nicht beschweren. Natürlich kamen ein paar Dinge dazu, die nicht unbedingt in unsere Karten spielten aber wollen wir uns wirklich hinter Verletzungspech und VAR-Diskussionen verstecken? Das dürfen wir nicht. Der Club hat sich das alles selbst zuzuschreiben. Ausreden dürfen keine Antwort sein.

Das gestrige Spiel kann sogar recht sinnbildlich für die Saison stehen. Wir starten absolut desolat und nicht wettbewerbsfähig gegen keinesfalls starke Freiburger, kassieren Tore, die eine Bundesliga-Mannschaft -mit auch nur halbwegs motivierter Hintermannschaft- nicht kassieren darf, kommen dann irgendwie, keiner weiß warum, zurück, schaffen den Ausgleich, drängen sogar noch auf ein Wunder, haben die Chance, scheitern aber am eigenen Unvermögen und zeigen am Ende mit Slapstick-hafter Zuverlässigkeit, dass wir immer noch einen drauf legen können, wenn es darum geht Dummheit visuell auf dem Rasen darstellen zu können.

Nein, liebe Leute, der 1.FC Köln ist völlig verdient da, wo er gerade ist.

Und was passiert? Worauf haben all die Presse-Geier geifernd gewartet? Die Artikel sind schon geschrieben: “Kölner Fans rasten nach erneutem Abstieg aus!”, “Wieder Pyro-Schande der FC-Fans!”, “Mannschaft flüchtet vor aufgebrachten Fans!” und so weiter uns so fort. Seit Monaten reibt man sich die Finger und freut sich auf den sicher scheinenden Skandal. Aber wisst ihr was? Am Arsch, Freunde. Wieder zeigt es sich, dass dieser Verein doch etwas besonderes ist, dass das Herz des Clubs auf den Rängen schlägt und dass die Unterstützung nicht abhängig ist von Liga und Erfolg. Vor dem Spiel gab es eine Fahnen-Choreographie, nach dem Spiel kommt die Mannschaft in den Block, wird mit Applaus und dem Veedel empfangen. Kein böses Wort, obwohl wir, wie oben beschrieben, schon durchaus Grund hätten, nicht 100%ig zufrieden mit dem Saisonverlauf und den gezeigten Leistungen zu sein. Aber was würde das bringen? Jetzt, in der Krise, die natürlich nicht mit dem Existenz-bedrohenden Abstieg aus 2012 vergleichbar, aber dennoch eine Katastrophe ist, zeigen wir Zusammenhalt und Geschlossenheit.

Wir sind der 1.FC Köln. Gegen alle Widerstände und Fehler.

Und so wird es bleiben. Sollen sie halt alle über uns lachen, in Düsseldorf, in Hamburg, in Freiburg, sollen sie uns mit Häme überschütten, es kratzt mich nicht. Auch morgen geht die Sonne wieder auf und so sicher wie die Natur Äpfel geschaffen hat, wird der 1.FC Köln auch wieder den Weg in die erste Fußball-Bundesliga finden.

post nubila phoebus

Haut rein, schreibt mir was!