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HSV – FC: Ballbesitz kommt später

Der erste “Dreier” der neuen Bundesliga-Saison ist in trockenen Tüchern. Nach einem wilden Spiel siegt der FC mit 4:3 in Hamburg und LottoKingKarl hat die Schnauze voll. Wieder gelingt der Mannschaft und Trainer Solbakken ein Schritt nach Vorne. Wir sehen hier eine Mannschaft, die sich seit dem Auftakt in jedem Spiel gesteigert hat, die Spielverständnis und Lernbereitschaft zeigt und nun auch punkten kann. Das ist in vier Spielen eine größere Entwicklung als wir in den letzten zwanzig Jahre gesehen haben.

Okay, Okay. Lassen wir die Kirche im Dorf, denn der HSV hat natürlich die Fehler gemacht, die gemeinhin der effzeh in Petto hat. Individuelle Patzer, schlechte Außenbahnen, bizarre Wechsel und Pech mit Pfosten, Latte und Schiedsrichter. Wir können tatsächlich froh sein, dass der Linienrichter Osmers einen rabenschwarzen Tag hatte. Nicht nur flötet er Schiri Meyer zurück als dieser den Ausrutscher von Aogo als eben jenen wertete und dadurch die Fehlentscheidung zum Elfer praktisch alleine traf, nein, er winkte den HSV auch vier Mal aus einer vermeintlichen Abseitsposition zurück. Zwei waren gleiche Höhe, zwei waren meilenweilt kein Abseits. Da wären die Hamburger vier Mal durch gewesen.

Doch, genau wie die für den HSV zählte für den FC eigentlich nur das Ergebnis um einigermaßen Ruhe einkehren zu lassen. Es ist also am Ende des Tages egal wie der Sieg zustande kam, wichtig ist das er zustande kam.

Solbakken musste weiter auf den verletzten Rensing im Tor verzichten, Eichner war auch nicht fit und Podolskis Lunge teilte mit, dass sie Luft für 45 Minuten haben würde. So wurde in der Abwehr Andrezinho auf links gestellt, der Neuzugang Henrique Sereno teilte sich mit seinem alten Buddy Geromel die Innenverteidigung und Brecko durfte erneut auf rechts ran. Sereno mit einen prima Debüt in der Bundesliga. Er stand eigentlich immer sicher, genauso wie Geromel. Andrezinho mit Licht und Schatten. Er ist in der Vorwärtsbewegung durchaus zu gebrauchen, offenbart aber immer noch deutliche Schwächen bei seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich die Seite sauber zu halten. Eventuell würde ich mal versuchen mit Riether die Position zu tauschen. Dass Riether links spielen kann, hat er unter Magath oft genug gezeigt, Andrezinho hätte dann mehr Platz und könnte vielleicht den Ballverteiler spielen. Das Experiment ginge auf Kosten von Christian Eichner aber ich finde die Idee super. Trainer übernehmen sie!

Diese erste Viererkette stand ziemlich punktgenau, verschob mit der vorgeschobenen zweiten Viererkette glänzend, hielt stets den Abstand und machte insgesamt einen prima Eindruck. Auch wenn auf dem Papier ein 4-2-3-1 steht, sind es doch eher zwei Ketten, denn Chihi und Jajalo orientierten sich bei gegnerischem Ballbesitz stets zurück um die Kollegen Riether und Lanig zu unterstützen. Von Riether bin ich bis jetzt ein klein wenig enttäuscht, denn ich hatte mir ehrlich gesagt mehr erwartet. ich dachte, dass er viel aktiver in den Spielaufbau eingreift aber bis heute ist das doch alles sehr passiv. Lanig mit gewohntem Spiel. Paar Bälle kommen an, paar werden vertändelt. Das alte Lied. Hier sehe ich auch noch eine wirkliche Schwachstelle im Kölner Spiel. Eigentlich löst jeder Ballverlust von Lanig eine potentiell gefährliche Szene ein, denn meistens ist hinter ihm ein Loch, so dass der Gegner mindestens zehn Meter Platz hat und damit genug Zeit in Ruhe den Angriff zu koordinieren.

Peszko, Jajalo und Chihi spielten solide, liefen über die Außen den Hamburgern weg und spielten mit zwei, drei schnellen (Doppel)Pässen Westermann und Rajkovic schwindelig. Nicht oft und nicht permanent aber die Stiche saßen. Vorne stand Nova. Und schoss ein Tor.

Die Leistung der Mannschaft war schon in Ordnung. Wenn man sich mal die Kommentare der Hamburger anhört, müsste man meinen, dass der FC irgendwo in den Niederungen der Regionalliga rumschwirrt, so beleidigt sind die. “Wenn wir nicht mal gegen Köln gewinnen, gegen wen dann?”, “Schlechteste Mannschaft der Liga und wir verlieren trotzdem” usw. Na, wenn die sich da mal nicht täuschen. Ich sah eine extrem clever agierende Mannschaft, die (wie schon die ersten 42. Minuten in Schalke – you know what I mean) sehr diszipliniert, fast sklavisch die Positionen hielt, die Räume unglaublich eng machte und jeden Fehler ausnutzte. Natürlich ist da noch nicht alles Gold, ist ja klar aber: Die Richtung stimmt und der HSV wird nicht der letzte Verein sein, dem nichts einfällt gegen diesen FC.

Berger? Heddergott? Solbakken!

Zwei dicke Dinger sind aber immer noch im Spiel: Zum einen das extreme Verschieben der Viererkette bis an die Mittellinie. Das stellt natürlich oftmals Abseits und machte den Spielaufbau für den Gegner schwierig, weil eigentlich nur der lange Ball bleibt aber auf der anderen Seite brauchst du im Zweifelsfall sehr schnelle Spieler um die paar Bälle die durchkommen effektiv abzuwehren. Gestern half eben ein paar Mal der falsche Abseitspfiff aber beim 3:2 von Son kommt der Ball halt durch und nur Andrezinho ist noch einigermaßen da, verliert aber die Koordination und der Koreaner hat leichtes Spiel mit Varvodic. Natürlich ist das eben ein Teil des Solbakkschen Systems aber vielleicht würde ich doch eher zehn Meter tiefer stehen. Nur für den Fall. Aber, okay, auch hier wird es eine Lernkurve geben.

Viel schwerwiegender ist das Zuordnungsproblem bei Standard-Situationen. Aus dem Spiel raus hatte der HSV genau zwei Szenen: Das Tor von Son und einen Lattentreffer von Skjelbred. Alle weiteren Gefahren gingen von Standards aus. Hier muss eine klarerer und engere Zuordnung einstudiert werden.

Ich kann mich nur wiederholen. Nach vier Spielen sehe ich eine Entwicklung, eine Ahnung wie das Spiel aussehen soll. Ich kann mich schon fast nicht mehr daran erinnern, wann das in Köln zum letzten Mal der Fall war. Ich werde zu jung gewesen sein um überhaupt an ein taktisches Konzept gedacht zu haben. Was war denn die letzten Jahre in Köln los? Lienen war wohl der Letzte, der eine Idee von einem System hatte. Nee, nee, ich finde das alles ganz schön gut. Und wenn wir das Spiel mit 2:3 verloren hätten, wäre dieser Text nicht sonderlich anderes ausgefallen. Vielleicht ein bißchen flehentlicher dem Trainer Zeit, Zeit, Zeit zu geben.

Nächste Woche ist wieder so eine Drecks-Länderspiel-Pause, dann kommt Nürnberg an den Rhein. Dann muss der FC nachlegen, Selbstvertrauen tanken und irgendwann kommt dann auch mehr Ballbesitz. Versprochen!

4 comments to HSV – FC: Ballbesitz kommt später

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